Orphan Drugs
Haben Sie schon einmal von der Ahornsirupkrankheit, dem Katzenaugensyndrom oder der Collagen-Kolitis gehört? Was wie kindliche Phantasiewörter klingt, sind seltene Erkrankungen. Geschätzte 5.000 bis 8.000 verschiedene, meist erblich bedingte, seltene Leiden sind aktuell bekannt. Medikamente gegen diese seltenen Erkrankungen heißen Orphan Drugs.
Häufig stehen Patienten mit ihrer seltenen Krankheit allein auf weiter Flur, denn ein solches Leiden betrifft in Europa im Durchschnitt allerhöchstens fünf von 10.000 Menschen, meistens noch viel weniger. Dank großer Fortschritte in der Medizin und Arzneimittelforschung können aber immer mehr von ihnen behandelt werden – mit sogenannten Orphan Drugs.
FAKT
Was ist ein Arzneimittel für seltene Leiden (Orphan Drug)?
Orphan Drugs sind Arzneimittel gegen seltene Leiden, im Englischen auch als "Orphan Diseases"- die "Waisenkinder unter den Krankheiten" - bezeichnet.
Nach der Definition der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) ist eine Krankheit dann als „selten“ einzustufen, wenn höchstens fünf von 10.000 Menschen an dieser Erkrankung leiden. In Deutschland sind das vier Millionen Patientinnen und Patienten, in der gesamten Europäischen Union etwa 30 Millionen. [1] Selten ist eben doch nicht so selten, wie zunächst gedacht. Dank großer Fortschritte in der Medizin und Arzneimittelforschung ist es möglich, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Doch bevor eine Therapie erfolgen kann, braucht es eine Diagnose. Für viele seltene Erkrankungen sind jedoch die Ursachen bisher nicht bekannt - was das Stellen einer Diagnose sehr erschwert. So haben die meisten Patientinnen und Patienten eine jahrelange Odyssee hinter sich, bis Mediziner die Erkrankung identifizieren können und bestenfalls auf eine Therapie zurückgreifen können.
Für viele Betroffene ist die Forschung an Orphan Drugs daher (lebens)wichtig, weil es für sie bisher keine oder nur begrenzte Behandlungsmöglichkeiten für ihr individuelles Leiden gibt.
Wie viele seltene Leiden (Orphan Diseases) gibt es?
Bisher sind mehr als 6.000 seltene Leiden bekannt. [2] Die Bandbreite dieser Krankheiten reicht von seltenen Stoffwechselerkrankungen über Infektionskrankheiten und schweren neurologischen Leiden bis zu seltenen Herz- oder Krebserkrankungen. Etwa 80 Prozent der Erkrankungen haben Gendeffekte als Ursache, sodass überproportional häufig Kinder und Neugeborene von Geburt an betroffen sind.
Wie viele Arzneimittel für seltene Leiden gibt es bereits?
Derzeit sind 133 [3] Arzneimittel mit einem Orphan-Drug-Status in der EU zugelassen und stehen für die Behandlung von seltenen Erkrankungen zur Verfügung. Hinzu kommen 66 weitere Arzneimittel, die früher einmal einen Orphan-Drug-Status besaßen oder deren Status zehn Jahre nach ihrer Marktzulassung abgelaufen ist. Die Mehrzahl dieser Arzneimittel befindet sich noch im Markt und steht der Therapie seltener Leiden ebenfalls zur Verfügung.
[1] https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/overview/orphan-designation-overview
[2] https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/gesundheitsgefahren/seltene-erkrankungen.html
[3] https://www.ema.europa.eu/en/medicines/field_ema_web_categories%253Aname_field/Human/ema_group_types/ema_medicine/field_ema_med_status/authorised-36/search_api_aggregation_ema_medicine_types/ema_orphan_medicine?sort=field_ema_med_market_auth_date&order=desc
Aktuelles
Der Anteil neu zugelassener Orphan-Drugs nimmt stetig zu.
In den vergangenen Jahren ist ein erfreulicher Aufwärtstrend zu beobachten. Allein 2020 und 2021 wurden 36 neue Orphan Drugs zugelassen. [4] Dennoch sind Medizin und Arzneimittelforschung noch lange nicht am Ziel: Die Versorgungssituation mit Orphan Drugs bleibt verbesserungsbedürftig. Ziel ist es, alle seltenen Erkrankungen mit zielgerichteten Arzneimitteln behandeln zu können. Nutzenbewertung und Preisfindung bei Arzneimittel-Innovationen, wie Orphan Drugs, sind durch das Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz (AMNOG) hinreichend geregelt. Weiterführende Informationen zur Funktionsweise und Ergebnissen der Preisregulierung für neue Arzneimittel in Deutschland finden Sie in unseren AMNOG-Daten 2021. Orphan-Drugs sind zwar häufig hochpreisig, aber für eine sehr geringe Anzahl an Patientinnen und Patienten therapeutisch bedeutsam. Ein Beispiel: Jährlich kommen in Deutschland etwa 80 bis 120 Kinder mit einer genetisch bedingten Erkrankung und einhergehender Muskelschwäche und Skelettverformungen zur Welt [5], die mit einem Orphan Drug behandelt werden kann.
Ein weiteres Beispiel sind zwei seltene Leiden (Paroxysmale nächtliche Hämoglobinurie-PNH und das Devic-Syndrom-NMO), deren Ursache in Fehlreaktionen des Immunsystems liegen. Beide Erkrankungen lassen sich mit Hilfe des Wirkstoffs Eculizumab behandeln. Beim Devic-Syndrom leiden Betroffene durch autoimmune Entzündungen unter Beeinträchtigungen der Sehschärfe und Lähmungen. Bei der PNH entwickeln Patientinnen und Patienten eine vielschichtige Erkrankung aus, bei der sich die roten Blutkörperchen auflösen. Mit Eculizumab steht ein Wirkstoff für die Behandlung von zwei seltenen Erkrankungen zur Verfügung, die eine Patientengruppe von gerade einmal knapp 3.000 Menschen umfassen.
[5] https://www.g-ba.de/presse/pressemitteilungen-meldungen/1021/
Woran wir arbeiten
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) engagiert sich seit Jahren für verbesserte Diagnose- und Therapieoptionen durch Arzneimittel für Seltene Erkrankungen. Wir machen uns beispielsweise im Rahmen des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) stark. Der Zusammenschluss besteht zwischen dem Bundesministerium für Gesundheit (BMG), dem Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) und ACHSE e.V. (Allianz Chronischer Seltener Erkrankungen) mit 25 Bündnispartnern, darunter dem BPI. Gemeinsam trug das Bündnis 52 Maßnahmenvorschläge in einem nationalen Aktionsplan für Menschen mit Seltenen Erkrankungen zusammen. Nun liegt es an der Umsetzung. Als BPI setzen wir uns auch weiterhin dafür ein, dass Maßnahmenvorschläge vermehrt umgesetzt werden, damit noch weitaus mehr Patientinnen und Patienten eine Chance auf eine zeitnahe Diagnose und Therapie ihrer seltenen Leiden erhalten.
100 Sekunden Pharma
In der ersten Ausgabe von "100 Sekunden Pharma" erklärt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen in einem kurzen Video-Clip das Thema der Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs).
Warum drohen die aktuellen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums das von der EU eingerichtete Incentive-System für die Entwicklung von Orphan Drugs zu torpedieren? Welche gültigen EU-Definitionen liegen für Seltene Leiden vor? Dr. Joachimsen gibt einen Überblick zu jüngsten Orphan Drugs-Statistiken und beschreibt die regulatorischen und wirtschaftspolitischen Zusammenhänge auf nationaler und europäischer Ebene.
BPI Animationsfilm Orphan Drugs
Allein in Deutschland leiden vier Millionen Menschen an einer seltenen Krankheit. Doch noch immer gibt es viel zu wenige Arzneimittel (Orphan Drugs). Wer es schafft, ein solches Medikament zu entwickeln, hat scheinbar das goldene Los gezogen – doch ist dem wirklich so? Hinsichtlich der Orphan Drugs existieren etliche Vorurteile. Der BPI setzt Fakten dagegen. Und setzt sich dafür ein, dass immer mehr Patientinnen und Patienten mit seltenen Leiden, eine angemessene Versorgung erhalten.
Jetzt ansehen: BPI Animationsfilm Orphan Drugs
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27.02.2020 | Pressemeldung
Tag der Seltenen Erkrankungen: Erfolgsgeschichte fortschreiben
„Der Kampf gegen Seltene Erkrankungen wird seit Inkrafttreten der europäischen Orphan-Drug-Gesetzgebung vor 20 Jahren vorangetrieben. Dank eines langen Atems der Pharmaindustrie und den richtigen regulatorischen Anreizen konnten bereits viele Patienten versorgt werden. Doch nach wie vor ist der Bedarf an Forschung und neuen Arzneimitteln groß. Für sehr viele Patienten mit einer seltenen Erkrankung gibt es noch keine Therapieoption“, sagt Dr. Kai Joachimsen, BPI-Hauptgeschäftsführer. „Die neuen Regulierungen des GSAV dürfen die Erfolgsgeschichte nicht gefährden.“ -
09.04.2019 | Pressemeldung
Regelungen im GSAV nachbessern
Der Gesundheitsausschuss des Bundestags befasst sich in seiner öffentlichen Anhörung mit dem Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung (GSAV). Dazu sagt Dr. Martin Zentgraf, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI) e.V.: „Das Gesetz kommt seiner Zielsetzung ein ganzes Stück näher, wenn klarer geregelt wird, wie Rückrufkompetenzen in Fällen von Qualitätsmängeln oder Fälschungen ausgeübt werden." -
28.02.2019 | Pressemeldung
GSAV bremst Bemühen um Patienten mit seltenen Erkrankungen
Schätzungsweise über 300 Millionen Menschen weltweit und etwa vier Millionen in Deutschland leiden an einer seltenen Erkrankung. Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V (BPI) engagiert sich für verbesserte Diagnose- und Therapieoptionen durch Arzneimittel für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs). „Für die Betroffenen machen sich Industrie und Politik nicht nur am Tag der seltenen Erkrankungen gemeinsam stark“, so BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. „Die geplanten gesetzlichen Änderungen im Entwurf des GSAV jedoch laufen Gefahr, die bisherigen Bemühungen um eine bessere Versorgung auszubremsen.“ -
28.02.2019 | Hintergrund
Fünf Fakten über Arzneimittel für seltene Erkrankungen (Orphan Drugs)
Der BPI macht sich seit Jahren im Rahmen des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit seltenen Erkrankungen (NAMSE) stark. Besonders engagieren wir uns für die verbesserten Diagnose- und Therapieoptionen durch Arzneimittel für seltene Erkrankungen. Weil aber gerade Orphan Drugs immer wieder mit Vorurteilen konfrontiert sind, wollen wir hier die Klischees über Arzneimittel für seltene Erkrankungen gerade rücken. Denn nur Fakten schaffen Verständnis für die betroffenen Menschen. -
08.10.2018 | Pressemeldung
Pharmaverbände vfa und BPI begrüßen die Weiterfinanzierung
Das Bundesministerium für Gesundheit hat in einem Schreiben an die Partner des Nationalen Aktionsbündnisses für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) mitgeteilt, dass es die Geschäftsstelle des NAMSE weiterfinanzieren wird. -
28.02.2018 | Gute Nachricht
Tag der Seltenen Erkrankungen - 14 Therapieoptionen – 14 mal Hoffnung
Seltene Erkrankungen nennt man auch „Waisen der Medizin“ – weil unter der gleichen Erkrankung maximal 5 von 10.000 Menschen in der EU leiden. In besonderem Maß sind Kinder von Seltenen Erkrankungen betroffenen. Aber nicht nur mit der Krankheit sind die jungen Patienten oft allein, auch an ursächlich wirksamen Therapieoptionen fehlt es meistens noch. -
23.02.2018 | Pressemeldung
Medikamente gegen Seltene Krankheiten: Fortschritt muss die Patienten erreichen
Seit 2010 arbeitet das Nationale Aktionsbündnis für Menschen mit Seltenen Erkrankungen (NAMSE) daran, entlang seines Aktionsplans die Situation von vier Millionen Patientinnen und Patienten im Land zu verbessern. Diese wichtige Arbeit verdient auch in der neuen Legislaturperiode die Unterstützung der Bundesregierung. Das betonen der Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa) und der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) – beide Mitglied des NAMSE – anlässlich des „Tags der Seltenen Erkrankungen“ am 28. Februar 2018. -
15.11.2017 | Gute Nachricht
Orphan Drugs: Seltener leiden
Haben Sie schon einmal von der Leberschen Optikusatrophie gehört? Oder von der interstitieller Cystitis (IC)? Nein? Das wundert nicht, denn bei diesen Krankheiten handelt es sich um sogenannte seltene Leiden (Orphan Diseases), Krankheiten von denen nicht mehr als 5 von 10.000 Menschen in der EU betroffen sind. -
22.06.2017 | Pressemeldung
Orphan Drugs wertvoll: Nur ein Prozent der Seltenen Erkrankungen bisher medikamentös behandelbar
Beim Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI)stößt die von der Barmer befeuerte Kosten-Nutzen-Debatte bei Orphan Drugs auf Unverständnis. „Noch immer sind nur etwa ein Prozent der rund 8.000 seltenen Erkrankungen medikamentös behandelbar. -
24.02.2017 | Pressemeldung
Seltene Krankheiten öfter behandelbar – aber noch ein langer Weg
Gemeinsame Pressemitteilung von BPI und vfa