Arzneimittel-Reformen
Arzneimittelreformen müssen den Patienten im Blick haben.
FAKT
Fast jede dritte Neueinführung eines Arzneimittels steht nach dem Arzneimittelmarktneuordnungsgesetz dem Patienten in Deutschland heute nicht oder nicht mehr zur Verfügung.
Aktuelles
Das elektronische Arzneimittelinformationssystem (EAMIV) ist eine ganz zentrale Weichenstellung für die Zukunft der Arzneimittelversorgung. Erstmalig werden dem Arzt im Verordnungsvorgang auf seiner Praxissoftware Informationen zu Arzneimitteln zur Verfügung gestellt, die den Beschlüssen des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zur frühen Nutzenbewertung neuer Arzneimittel entsprechen oder aus ihnen abgeleitet werden. Die relativ schlanke Verordnung des BMG zur „Elektronischen Arzneimittelinformations-Verordnung – EAMIV" ist grundsätzlich zu begrüßen und hat wesentliche Kritikpunkte des BPI hinsichtlich einer versorgungsgefährdenden Steuerung aufgenommen.
Wissenswertes
Was sind Reformen?
Wenn die Politik Gesetze neu ordnen oder verbessern will, spricht man von Reformpolitik. Gesundheitsreformen haben vor allem zum Ziel, Kosten zu senken, den Wettbewerb innerhalb des Gesundheitssystems zu regulieren und die medizinischen Leistungen zu modernisieren und zu rationalisieren.
Welche Reformen haben die Arzneimittelversorgung in jüngster Zeit reguliert?
Mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) in 2017 wurden Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgung mit Antibiotika ergriffen. Erstmals wurde auch anerkannt, dass Weiterentwicklungen von Arzneimitteln auf Basis bewährter Wirkstoffe eine wichtige Rolle für die Sicherung der Arzneimittelversorgung spielen. Gleichzeitig wurde das seit Ende 2010 geltende Preismoratorium erneut verlängert und der Grundstein für den Aufbau eines elektronischen Arzneimittelinformationssystems gelegt.
Mit dem Terminservice- und Versorgungsgesetz (TSVG) wurde letztendlich der mit dem AMVSG eingeschlagene Kurs fortgesetzt und es wurden Maßnahmen getroffen, um die kontinuierliche Versorgung mit Impfstoffen durch die Gewährleistung der Anbietervielfalt sicherzustellen. Es werden zukünftig die Impfstoffe aller Anbieter in allen Regionen zur Verfügung stehen. Denn Rabattverträge für Schutzimpfungen sind zukünftig nicht mehr möglich und auch keine ähnlichen Vertragskonstruktionen über Impfstoffverträge der Apotheker. Die Apothekenvergütung für die Abgabe von Impfstoffen wurde in die Arzneimittelpreisverordnung überführt. Auch von einer zusätzlichen Erhöhung der Zwangsabschläge für Schutzimpfungen hat die Politik letztlich zugunsten der Versorgungssicherheit Abstand genommen. Die Politik hat hier verstanden, dass globaler Wettbewerb, wenige Anbieter, begrenzte Produktionskapazitäten und der weltweit steigende Bedarf an Impfstoffen Herausforderungen für die Gesundheitsversorgung sind, derer sie sich annehmen muss.
Auch im Beginn der Coronapandemie und darüber hinaus hat beispielsweise die enge Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu einer Stabilisierung der Arzneimittelversorgung beigetragen und gleichzeitig die Unternehmen vor drohenden und wenig erfolgversprechenden Maßnahmen geschützt.
Das GSAV (Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung), legt einen grundlegenden Richtungswechsel für bestimmte Versorgungsbereiche fest. Dies gilt insbesondere für die Versorgung mit Arzneimitteln zur Behandlung der Hämophilie. Diese wird über die Apotheken erfolgen. Der Direktvertrieb über Hämophiliezentren wird beendet. Dies hat gravierende Konsequenzen für Preisstellung und Preisbildung dieser Produkte, aber vor allem auch für die bislang umfassende Versorgung der Hämophilie-Patienten. Außerdem wurde die stufenweise Austauschbarkeit von biotechnologisch hergestelltem Biosimilars in der Apotheke festgelegt. Dies lag bislang aufgrund der nicht systematisch erfassten Risiken der lediglich ähnlichen biologischen Arzneimittel zum Schutz der Patienten in der Hand des Arztes. Insbesondere für Orphan Drugs im AMNOG-Verfahren kann der G-BA zukünftig anwendungsbegleitende Datenerhebungen anordnen, um die Datenbasis zu verbessern. Auch dies kann Konsequenzen im Markt nach sich ziehen.
Welchen Einfluss hat der BPI auf Reformen?
Arzneimittelpolitische Entscheidungen haben Auswirkungen auf die Versorgung der Menschen, wie auch auf die Leistungsfähigkeit der pharmazeutischen Industrie. Im Reformprozess, aber auch darüber hinaus, begleitet der BPI Gesetzesinitiativen mit seiner Expertise. Ziel ist es, dort wo Abgeordnete und Regierungsmitglieder selbst kein Spezialwissen haben, die Politik mit dem im Verband gebündelten Know-how im Verlauf der Gesetzesvorbereitung („Referentenentwurf“) zu unterstützen und ihnen Fragen aus der unternehmerischen Praxis nahezubringen.
Stand der Dinge
Kostendämpfung ist kein Allheilmittel für eine zukunftssichere Gesundheitsversorgung. So sind trotz vielfältiger gesetzgeberischer Maßnahmen in den vergangenen Jahren Lieferengpässe weiterhin ein Problem.
Eine Ursache für Lieferengpässe ist die Rabattvertragspraxis zwischen Krankenkassen und Pharmaunternehmen. Im GSAV wird zwar geregelt, dass beim Abschluss von Rabattverträgen auch die Gewährleistung einer bedarfsgerechten Versorgung zu berücksichtigen ist. Den Vorschlag der Industrie im Pharmadialog, Rabattvertragsausschreibungen jenseits der Impfstoffe verpflichtend an mindestens drei Bieter zur vergeben, hat die Politik leider bisher nicht so konkret aufgegriffen, wie es zur Gewährleistung einer nachhaltigen Arzneimittelversorgung erforderlich wäre.
Woran wir arbeiten
Die GKV-Ausgaben für Arzneimittel liegen seit Jahren konstant bei rund einem Prozent des Bruttoinlandsproduktes. Eine Kostenexplosion ist weder historisch nachzuweisen noch in Zukunft zu befürchten. Aktuelle Prognosen europäischer Wissenschaftler sprechen sogar dafür, dass die Arzneimittelausgabenanstiege in fünf vergleichbaren EU-Ländern inklusive Deutschland deutlich geringer sein werden, als angenommen.
Die GKV-Ausgaben für Arzneimittel liegen bei rund 17 Prozent der Gesamtausgaben. Auf die pharmazeutische Industrie entfallen nur etwa 10 Prozent, für alle Arzneimittel in der ambulanten Versorgung. Gemessen an deren enormen therapeutischen Stellenwert, ist das kein hoher Anteil.
Statt ordnungspolitischer Zumutungen von ausufernden Rabattverträgen über verordnungssteuerndem Arztinformationssystem bis hin zum Preismoratorium machen wir uns in der Politik dafür stark, dass der finanzielle Spielraum für die Versorgungssicherheit genutzt wird.
Wir wirken
Reform-Gesetze müssen kritisch bewertet werden. Der AMNOG-Check tut genau das. Mit dem Gutachten konnte aufgezeigt werden, dass heute fast ein Drittel der AMNOG-pflichtigen, innovativen Arzneimittel den Patienten nicht oder nicht mehr zur Verfügung stehen. Gleichzeitig sichert die pharmazeutische Industrie für rund 10 Prozent der GKV-Ausgaben die gesamte ambulante Arzneimittelversorgung.
Ziel des AMNOG war es, eine Balance zwischen Innovation und Bezahlbarkeit von Medikamenten zu schaffen.
Position
Der BPI fordert eine Rückkehr von einer primär kostengetriebenen Versorgung zu einer auf den Patienten zentrierten Versorgung. Hierzu muss vor allem die frühe Zusatznutzenbewertung wieder auf ihr eigentliches Ziel zurückgeführt werden: Sie ist die Basis der Preisverhandlungen, soll aber die patientenindividuelle Verordnungsfähigkeit nicht einschränken.
Auch der übrige Arzneimittelmarkt muss mit Blick auf die Patientenversorgung gestaltet werden, so insbesondere bei Festbeträgen. Außerdem erfordert die Verfügbarkeit von Arzneimitteln in Deutschland belastbaren Wettbewerb durch solide wirtschaftliche Grundlagen.
Weitere Infos
Keine neue vertragsärztliche Leistung ohne Genehmigung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA).
Wer und was steckt hinter dem Gremium?
Rund 80% der deutschen Bevölkerung sind gesetzlich krankenversichert und werden in diesem Rahmen mit Arzneimitteln versorgt. Daher ist die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) für Arzneimittel in Deutschland der größte Markt. In der GKV erhalten alle Versicherten grundsätzlich die gleichen Leistungen. Der Versicherte hat Anspruch auf eine Leistung, die notwendig, zweckmäßig und wirtschaftlich ist. Das heißt: Der behandelnde Arzt soll das medizinisch notwendige Arzneimittel in der jeweils günstigsten Variante verordnen.
Für die ambulante Arzneimittelversorgung werden sowohl der Umfang als auch die Höhe der Erstattung zentral bestimmt durch
- Gesetz (Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V)
- untergesetzliche Regelungen (Rechtsverordnungen, Richtlinien) und
- Kollektivverträge mit Normwirkung.
Das SGB V gibt dabei den Rahmen vor, der durch die Organe der Selbstverwaltung konkretisiert werden muss. Organe der Selbstverwaltung sind v.a. die Verbände der Heilberufe, Krankenhäuser und Krankenkassen, die auch im Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) vertreten sind. Die Industrie ist nicht Teil der Selbstverwaltung.
Der G-BA trifft als Gremium der Selbstverwaltung aufgrund seiner Richtlinienkompetenz existenzielle Entscheidungen über die Versorgungsinhalte der GKV-Versicherten. Im Bereich der Bewertung von Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen betreffen die Bewertungsergebnisse des G-BA und die darauf basierenden Erstattungsbeträge über die Einbeziehung der PKV und der Beihilfe die gesamte deutsche Bevölkerung. Dabei wird der G-BA als untergesetzlicher Normgeber tätig. In diesem Rahmen kommt ihm eine Bewertungs- und Entscheidungsprärogative zu, die nur begrenzt einer gerichtlichen Kontrolle zugänglich ist. Dies betrifft besonders auch die Bewertung medizinischer Fachfragen.
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27.09.2022 | Stellungnahme
BPI-Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-FinStG)
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10.08.2022
100 Sekunden Pharma: Der BPI erklärt Orphan Drugs
In der ersten Ausgabe von "100 Sekunden Pharma" erklärt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen in einem kurzen Video-Clip das Thema der Arzneimittel gegen seltene Krankheiten (Orphan Drugs). Warum drohen die aktuellen Pläne des Bundesgesundheitsministeriums das von der EU eingerichtete Incentive-System für die Entwicklung von Orphan Drugs zu torpedieren? Welche gültigen EU-Definitionen liegen für Seltene Leiden vor? Dr. Joachimsen gibt einen Überblick zu jüngsten Orphan Drugs-Statistiken und beschreibt die regulatorischen und wirtschaftspolitischen Zusammenhänge auf nationaler und europäischer Ebene. Für die kommenden Monate plant der BPI weitere Ausgaben dieses neuen Formats. Seien Sie also gespannt. -
27.07.2022 | Pressemeldung
GKV-FinStG: Kabinett setzt falsche Signale für eine sichere Arzneimittelversorgung
„Der heute vom Bundeskabinett verabschiedete Entwurf eines GKV-Finanzstabilisierungsgesetzes schwächt den Pharmastandort Deutschland und somit eine sichere Arzneimittelversorgung gerade in Krisenzeiten“, sagt der BPI-Vorstandsvorsitzende Dr. Hans-Georg Feldmeier. „Wir treten seit Jahren für die Abschaffung des innovations- und mittelstandsfeindlichen Preismoratoriums und für neue faire Ausschreibungsbedingungen bei den Rabattverträgen ein, um eine leistungsfähige Pharmaindustrie in Europa zu erhalten. Unsere Kosten für Energie, Rohstoffe und Wirkstoffe explodieren, die Personalkosten steigen. Die Antwort der Bundesregierung darauf ist eine Erhöhung der Herstellerabschläge und eine Verlängerung des Preismoratoriums. Als einziger Wirtschaftszweig haben wir damit keine Möglichkeit, Kostensteigerungen weiterzugeben." -
12.07.2022 | Stellungnahme
BPI-Stellungnahme zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur finanziellen Stabilisierung der gesetzlichen Krankenversicherung
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04.07.2022 | Pressemeldung
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Aus der Pandemie nichts gelernt! Immer neue Kürzungen bei den Arzneimitteln gefährden akut Versorgung und Pharmastandort
„Der Bundesgesundheitsminister setzt mit seinen Kürzungen im Arzneimittelbereich den Pharmastandort Deutschland und Europa nachhaltig aufs Spiel und gefährdet die Versorgung der Menschen in Deutschland”, sagt der BPI-Vorsitzende Dr. Hans-Georg Feldmeier anlässlich des Gesetzesentwurfes zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Geplant sind darin Maßnahmen wie die radikale Kürzung über alle patentgeschützten Arzneimittel hinweg, das weitere Einfrieren der Preise seit nunmehr über zwölf Jahren (Preismoratorium) und die Rückwirkung des Erstattungsbetrags im AMNOG-Prozess ab dem siebten Monat. Auch bei der Erstattung für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten soll es starke Einschnitte geben. -
15.03.2022 | Pressemeldung
GKV-Finanzierungsgesetz: Maßnahmen gefährden kritische Infrastruktur! Versorgungsrisiken drohen akut!
Heute wurde der Entwurf eines GKV-Finanzierungsgesetzes bekannt. Die darin geplanten Kostendämpfungsmaßnahmen im Arzneimittelbereich kommen aus Sicht des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) zur absoluten Unzeit: „Gerade in der aktuellen Situation, in der wir es mit massiven Lieferschwierigkeiten zu tun haben, dringend auf die Entwicklung von neuen Medikamenten angewiesen sind und zusätzlich noch die Versorgungsschwierigkeiten durch den Ukrainekrieg haben, ist jede weitere Belastung nicht zu verantworten!“ sagt der BPI-Vorsitzende Dr. Hans Georg Feldmeier. -
29.07.2021 | Pressemeldung
Bürokratie abbauen, Lieferketten stärken!
Deutschland und Europa müssen in ihrer Arzneimittelproduktion wieder autarker werden. Darin sind sich die Parteien einig. Unser Standort soll attraktiver werden für Produktion, Forschung und Entwicklung. Dieses Ziel wird jedoch konterkariert durch immer mehr regulatorische Auflagen, die enorme Kosten in den pharmazeutischen Unternehmen verursachen. Will beispielsweise ein pharmazeutisches Unternehmen einen weiteren (Wirkstoff)-Zulieferer in seine europäische Zulassung aufnehmen, entstehen schnell Verwaltungskosten im sechsstelligen Bereich. „Es kann nicht sein, dass pharmazeutische Unternehmen für die Stärkung der Lieferketten zugunsten der Versorgung im jeweiligen Land finanziell ‚bestraft‘ werden“, betont Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). -
21.12.2020 | Pressemeldung
Pharma-Daten 2020: 50 Jahre fundierte Analysen
Ein Blick in die historischen Daten zeigt: Die GKV-Arzneimittelausgaben liegen seit 30 Jahren auf einem vergleichbaren Niveau. Sie betrugen damals wie heute rund 15 bis 16 Prozent der GKV-Gesamtausgaben. Das ergeben die Analysen der Jubiläumsausgabe „Pharma-Daten 2020“ des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). Zudem investierte kein Industriezweig einen höheren Umsatzanteil für Forschung und Entwicklung. Trotzdem wird die Pharmabranche weiter finanziell unter Druck gesetzt. -
03.12.2020 | Position
BPI-Positionspapier: Arzneimittelversorgung nachhaltig sichern. Produktion und Forschung in Europa und Deutschland stärken: Fesseln sprengen – Potenziale freisetzen
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24.09.2020 | Pressemeldung
Gemeinsame Verbände-Pressemitteilung: Apps auf Rezept müssen höchste Anforderungen erfüllen
Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns hat gestern in einer Pressemitteilung zur „Vorsicht bei der Nutzung und Verordnung digitaler Gesundheitsanwendungen (DiGA)“ aufgerufen. Dazu nehmen der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI), der Spitzenverband Digitale Gesundheitsversorgung e.V. (SVDGV), der Bundesverband der Arzneimittelhersteller e.V. (BAH) und der Bundesverband Internetmedizin (BiM) wie folgt Stellung: