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Ausschreibungspraxis - AOK Nordost riskiert die Versorgung ihrer Versicherten

Die neueste Impfstoffvereinbarung zwischen der AOK Nordost und den Apothekerverbänden nimmt direkten Einfluss auf die Patientenversorgung. Diese Versorgungssteuerung „durch die Hintertür“ verurteilt der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) aufs Schärfste. Dr. Norbert Gerbsch, stellvertretender BPI-Hauptgeschäftsführer: „Was die Krankenkassen als `Mittel einer effizienten Arzneimitteltherapie´ bezeichnen, widerspricht dem politischen Willen. Die Kasse riskiert sehenden Auges Versorgungsengpässe für die Patienten. Folgen, für die sie die Verantwortung zu tragen haben wird.“

Mit der Apothekenvereinbarung umgeht die AOK Nordost bestehendes Recht. Die Bundesregierung hatte mit dem Arzneimittelversorgungsstärkungsgesetz (AMVSG) exklusive Rabattverträge für Impfstoffe wegen latenter Versorgungsprobleme verboten. Die Kassen-Praxis widerspricht also mit dem Ausschreibungsmodell klar den gesetzgeberischen Zielen einer stabilen Impfstoffversorgung und einer hohen Impfquote. „Das ist falsch und fahrlässig“, so Dr. Norbert Gerbsch. „Wenn sich die GKV aber zum Gesundheitsbroker aufschwingt, muss sie konsequenterweise auch die Verantwortung für ihr Handeln übernehmen.“ Denn während gerade erst sowohl die EU-Kommission als auch die Arbeitsgemeinschaft Influenza (AGI) des Robert-Koch-Instituts empfohlen hatten, sich gegen Grippe impfen zu lassen, setzt die AOK Nordost die „Gesundheitsanlage“ ihrer Versicherten aufs Spiel. „Da wird so weit gespart, als dass der Rabattvertrag an ein Unternehmen geht, dass noch gar keinen Impfstoff hat“, so Gerbsch. „Die Versicherten sollten wegen schlechter Anlageberatung klagen, wenn ihre Kasse ihre Versorgungssicherheit fahrlässig aufs Spiel setzt.“ Bei den Impfstoffen müssten sie Recht bekommen, da die Kasse zudem noch gegen den gesetzgeberischen Willen handelt. Der BPI fordert seit langem eine grundlegende Reform der Rabattvertragspraxis der Krankenkassen. Gerbsch: „Die Gefahr von Versorgungsengpässen wäre leicht zu verringern, wenn es grundsätzlich erst Ausschreibungen für Arzneimittel geben darf, wenn mindestens vier Anbieter im Markt sind und zudem die Krankenkassen an mindestens drei Anbieter Zuschläge erteilen müssen, von denen mindestens einer den Standort seiner Produktionsstätte in der EU nachweisen muss.“ Vielmehr ist zu befürchten, dass weitere Krankenkassen das Hintertür-Modell der AOK kopieren, wenn der Gesetzgeber nicht einschreitet. Hintergrund

  • Die AOK Nordost hat mit den Apothekern eine Impfstoffvereinbarung für die Grippesaison 2018/2019 abgeschlossen. Die Versorgung der rund 1,8 Millionen Versicherten in der Region Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern soll nach Möglichkeit nur durch einen Anbieter erfolgen, mit dem das Unternehmen des Berliner Apothekerverbandes einen Vertrag geschlossen hat. Hierfür sollen die Ärzte generisch verordnen. Konkrete Verordnungen und Kinderimpfungen müssen gesondert genehmigt werden.
  • Der Anbieter der Wahl für die Impfstoffversorgung der Region Berlin, Brandenburg und Mecklenburg-Vorpommern ist soweit man weiß ein Hersteller, der mit seinem Produkt noch gar nicht auf dem Markt ist.
  • In der Grippe-Saison 2016/2017 hatte die AOK Nordost für ihre Versichertengemeinschaft rund 1,7 Millionen Impfdosen abgerechnet.
  • Im Juni 2017 hatten 115 Krankenkassen mit 174 pharmazeutischen Unternehmen 14.425 Verträge über 15.900 Handelsformen abgeschlossen. Ein Jahr vorher, im Juni 2016, waren es 124 Krankenkassen mit 166 Herstellern. Die Zahl der Verträge belief sich auf 13.076 über 15.789 Handelsformen.
  • 40,9 Prozent der Rabattvertragsausschreibungen wurden in 2016 im Ein-Partner-Modell vergeben.
  • 18 Milliarden Euro haben die gesetzlichen Krankenkassen bis September 2017 als Finanzreserve angespart.

Ihr Ansprechpartner: Julia Richter (Pressesprecherin), Tel. 030/27909-131, jrichter@bpi.de