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Kinderarzneimittel im Fokus: BPI veröffentlicht politische Handlungsempfehlungen für eine bessere Kindergesundheit

Beim Tagesspiegel Evening Talk „Fit für die Zukunft? Kindergesundheitsversorgung in Deutschland“ am 27. November 2024 standen drängende Fragen im Raum, wie sich die Versorgungslage mit Kinderarzneimitteln in Deutschland verbessern lässt. Der BPI war gleich mit zwei Experten vor Ort: Prof. Dr. Jens Peters, BPI-Geschäftsfeldleiter Klinische Forschung, und Dr. Meike Criswell, BPI-Expertin für Kinderarzneimittel, beleuchteten unter der Moderation des Tagesspiegel-Chefredakteurs Lorenz Maroldt insbesondere die Hürden bei der Beantragung, Genehmigung und Durchführung klinischer Studien für Kinderarzneimittel. Um die Situation für zugelassene Kinderarzneimittel zu verbessern, hatte der BPI zuvor im Rahmen des Runden Tischs „Kinderarzneimittel – Verbesserung der Kindergesundheit in Deutschland“ unter der Schirmherrschaft von Dr. Georg Kippels (MdB CDU/CSU) mit Abgeordneten des Deutschen Bundestags und Expertinnen und Experten politische Handlungsempfehlungen erarbeitet.

BPI beim Tagesspiegel Eveneing-Talk zur Kindergesundheitsversorgung (sponsored by Novartis Deutschland.) (Foto: ©BPI e.V.)

Hintergrund: Trotz des hohen Bedarfs an Arzneimitteln für Kinder herrscht ein ernst zu nehmender Mangel an speziell für diese Bevölkerungsgruppe zugelassenen Arzneimitteln. Wenn aufgrund fehlender Daten kein geeignetes Arzneimittel für Kinder und Jugendliche zugelassen ist, müssen behandelnde Pädiater*innen auf ein Erwachsenenpräparat zurückgreifen. Daher wird ein hoher Anteil von kranken Kindern, circa 65 – 90 Prozent, mit Arzneimitteln behandelt, die nicht für diese Altersgruppen beziehungsweise die Pädiatrie zugelassen sind. Wie lässt sich diese Situation verbessern?

Beim Tagesspiegel Evening Talk wies Prof. Dr. Jens Peters auf die zentrale Problematik unzureichender Patientenzahlen für klinische Prüfungen bei Kinderarzneimitteln in Deutschland hin. Eine der größten Hürden bestehe darin, nicht genügend Kinder für die Teilnahme an klinischen Prüfungen gewinnen zu können. Hier seien bereits Strategien in der Umsetzung, um die Rekrutierung zu verbessern – weitere müssen folgen.

Ein weiterer Schlüsselpunkt: Die Arbeit der Ethik-Kommissionen in Deutschland. Peters plädierte für eine stärkere Spezialisierung der Ethik-Kommissionen: „Es wäre toll, wenn sich der Arbeitskreis Medizinischer Ethik-Kommissionen (AKEK) dazu durchringen könnte, dass sich einzelne Ethik-Kommissionen nur auf Studien für Kinder-Arzneimittel spezialisieren. Das wäre von großem Vorteil, denn damit ließen sich die Genehmigungsverfahren erheblich beschleunigen, da wiederkehrende Fragestellungen effizienter bearbeitet werden könnten“, betonte Peters (siehe Video-Stream ab 1h11min).

Dr. Meike Criswell hob ergänzend hervor, dass ein verbesserter Unterlagenschutz für Arzneimittel auf EU-Ebene essenziell sei, um die Forschung in unterschiedlichen pädiatrischen Altersstufen zu fördern. Ein mehrfacher Schutz für entsprechende Studien wäre hier ein entscheidender Fortschritt. Auch wäre eine verstärkte Akzeptanz weiterer Möglichkeiten der Evidenzgenerierung neben randomisierten kontrollierten Studien (RCTs) wie die namentliche Nennung, staatliche Förderung und der Aufbau eines Kinderregisters sinnvoll (siehe Video-Stream ab 1h21min).

Pia Nothing von Novartis Deutschland dankte am Abend allen Impulsgebern, aber insbesondere auch Dr. Kippels als Schirmherrn, für das konkrete Aufzeigen der Herausforderungen und die kompetente Diskussion der Probleme. Dem BPI dankte sie für die konstruktive Zusammenarbeit und verwies auf die gemeinsam mit weiteren gesundheitspolitischen Expertinnen und Experten erarbeiteten Handlungsempfehlungen. Diese sollen der aktuellen Diskussion neue Impulse verleihen und konkrete politische Maßnahmen ermöglichen.

Politische Handlungsempfehlungen im Überblick:

  1. Änderung Verfahrensordnung G-BA: Automatische Anerkennung eines Zusatznutzens, um Kinderarzneimittel schneller und zuverlässiger auf den Markt zu bringen. Die positive Auslegung der europäischen Regelung in Deutschland würde ein wichtiges Signal für den hohen Wert von Kinderarzneimitteln darstellen.
     
  2. GSAV: Eine dauerhafte, kontinuierliche Erhöhung der Erstattung von Kinderarzneimitteln und eine Aussetzung des Festbetragssystems, wie es in den letzten Jahren z. T. durchgeführt wurde, würde ebenfalls die Anzahl der national verfügbaren Kinderarzneimittel nachhaltig erhöhen.
     
  3. Verstärkte Akzeptanz weiterer Möglichkeiten der Evidenzgenerierung neben RCTs (siehe z.B. geplantes Registergesetz: namentliche Nennung und Aufbau eines Kinderregisters) sowie systematische Erfassung des offlabel-Gebrauchs.
     
  4. Abbau praxisferner Teilnahmebestimmungen für Studien.
     
  5. Öffentliche Forschungsförderung.
     
  6. Besserer Unterlagenschutz auf EU-Ebene, z. B. mehrfacher Unterlagenschutz für die Forschung in verschiedenen pädiatrischen Altersstufen
     
  7. Keine Rezepturarzneimittel und keine Substitution durch Generika, wenn ein zugelassenes, qualitativ hochwertiges Kinderarzneimittel existiert.
     
  8. Staatliche Förderung des Kinderformulariums, einer evidenzbasierten Datenbank für die Arzneimitteltherapie bei Kindern und Jugendlichen.


Hier geht es zum BPI-Positionspapier: Verbesserung der Kindergesundheit in Deutschland


Der Tagesspiegel Evening Talk zeigte eindrücklich, wie wichtig der Dialog zwischen Industrie, Politik, Wissenschaft und Expertinnen und Experten aus der Praxis ist, um die Kindergesundheit interdisziplinär zu verbessern.

Ein nächster Meilenstein ist der kommende Runde Tisch „Kinderarzneimittel“ am 13. März 2025, bei dem der BPI die Zusammenarbeit zwischen Industrie, Politik, Fachkreisen und Wissenschaft weiter vertiefen wird.


Weitere Informationen zum Thema „Kinderarzneimittel“:


Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) vertritt das breite Spektrum der pharmazeutischen Industrie auf nationaler und internationaler Ebene. Rund 260 Unternehmen haben sich im BPI zusammengeschlossen.