Folgen für die Pharmaindustrie

Folgen für die Pharmaindustrie

Die Bevölkerung des Vereinigten Königreichs (VK) hat sich mit dem Votum vom 23. Juni 2016 für den Austritt aus der Europäischen Union entschieden (Brexit). Nachdem das Vereinigte Königreich am 31. Januar 2020 endgültig die Europäische Union (EU) verlassen hat, sah es lange so aus, als gäbe es keine Einigung. Am 24. Dezember 2020 haben die Verhandlungsteams dann doch noch für ein „Weihnachtswunder“ in Form eines Freihandels- und Kooperationsabkommens gesorgt.

Das nun zwischen der EU und dem VK ausgehandelte Handels- und Kooperationsabkommen (TCA) geht weit über traditionelle Freihandelsabkommen hinaus - eine logische Folge aus den vorherigen Beziehungen sowie der engen wirtschaftlichen Verflechtung der Vertragsparteien. Jedoch spiegelt das Abkommen klar wieder, dass es zu einem Bruch gekommen ist und das VK nicht mehr die Vorteile genießen kann, welche die EU-Mitgliedschaft bot.

Das Freihandelsabkommen zwischen dem VK und der EU erstreckt sich nicht nur auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen. Eine ganze Reihe anderer Bereiche werden mit erfasst u.a. Investitionen, Wettbewerb, Energie und Nachhaltigkeit. Das Abkommen erlaubt dem VK eine weitere Teilnahme an spezifischen EU-Programmen für den Zeitraum von 2021-2027, sofern sich das VK am dafür ausgewiesenen EU-Haushalt beteiligt. Für den Arzneimittelbereich ist dies insbesondere mit Blick auf das Forschungsförderungsprogramm "Horizon Europe" von Relevanz.

Verbindliche Durchsetzung- und Streitbeilegungsmechanismen sollen gewährleisten, dass die Rechte von Bürgern, Verbrauchern und Unternehmen geachtet werden.

Konsequenzen für den Arzneimittelbereich im Einzelnen

Das Abkommen enthält keine Bestimmungen über eine allgemeine gegenseitige Anerkennung für Arzneimittel oder Medizinprodukte, sodass nun in beiden Märkten unterschiedliche regulatorische Regime Anwendung finden. Jedoch wurden bereits im Vorfeld – auch im Blick auf einen etwaigen „harten Brexit“ – weitestgehend alle notwendigen Vorkehrungen getroffen, um eine Unterversorgung der Patienten in der EU und dem VK zu vermeiden. Für das VK ist nun allein die Medicines and Healthcare products Regulatory Agency (MHRA) die zuständige nationale Behörde für die Regulierung von Arzneimitteln und Medizinprodukten.

Arzneimittel

Für den Arzneimittelsektor regelt ein Anhang des Abkommens die gegenseitige Anerkennung von Inspektionen von Produktionsstätten und von Zertifikaten über die Einhaltung der Guten Herstellungspraxis (GMP):

  • In Verkehr gebrachte Human- oder Tierarzneimittel, einschließlich der in Verkehr gebrachten biologischen und immunologischen Human- und Tierarzneimittel,
  • Arzneimittel für neuartige Therapien,
  • pharmazeutische Wirkstoffe für die Human- oder Veterinärmedizin und
  • Prüfpräparate

werden gegenseitig anerkannt. Nur unter bestimmten Umständen sollen die jeweils zuständigen Behörden Dokumente ausnahmsweise nicht anerkennen können. Über neue Maßnahmen oder Änderungen im Zusammenhang mit der GMP, die relevante Regularien und technische Leitlinien betreffen, müssen sich die Parteien 60 Tage vor Eintritt der Änderungen unterrichten. Darüber hinaus soll eine Arbeitsgruppe „Arzneimittel“ eingesetzt werden, welche die Umsetzung des Anhangs überwachen und den technischen Arbeitsgruppen beratend zur Seite stehen soll.

Medizinprodukte

Ein vergleichbarer Anhang existiert für Medizinprodukte nicht. Hier wäre zumindest die gegenseitige Anerkennung der Konformitätsbewertungen (conformity assessments) wünschenswert gewesen. Allerdings wird das VK bis zum 30. Juni 2023 Produkte mit CE-Kennzeichen anerkennen. Nach dieser Frist, müssen alle Produkte für den britischen Markt das UKCA-Kennzeichen führen. Zu beachten ist, dass es jedoch nicht für Nordirland gilt – hier muss ein Produkt weiterhin das CE-Kennzeichen aufweisen.

Auswirkungen auf das Geistige Eigentum

Das Abkommen enthält einen eigenen Abschnitt zum Schutz des geistigen Eigentums. Ziel dieser Regelungen ist es, ein angemessenes und wirksames Niveau beim Schutz und bei der Durchsetzung von geistigen Schutzrechten zu gewährleisten und Verzerrungen und Hindernisse abzubauen. Mit Blick auf ergänzende Schutzzertifikate (SPCs) erläutert ein Guidance Dokument der britischen Regierung die wichtigsten Änderungen seit dem 1. Januar 2021.

Weitere Schritte

Das Abkommen muss noch vom Europäischen Parlament ratifiziert werden um Gültigkeit zu erlangen. Derzeit ist es durch eine gemeinsame Entscheidung der Mitgliedstaaten und der Kommission vorläufig bis zum 28. Februar anwendbar. Eine Verlängerung dieser Frist wird allerdings erwartet, da das Europäische Parlament auf der gründlichen Prüfung des Abkommens besteht. Es ist allerdings nicht davon auszugehen, dass sich die relevanten Punkte für den Arzneimittelsektor ändern werden.