Pharmastrategie

Pharmastrategie

Die pharmazeutische Industrie braucht dringend verlässliche und auskömmliche Rahmenbedingungen sowie ein attraktives Umfeld für Investitionen in Forschung, Entwicklung und Produktion. Dafür braucht es eine gut durchdachte, wirksame und langfristige Pharmastrategie. Ihr Ziel muss es sein, ein anreizorientiertes Umfeld für Forschung, Innovationen und Investitionen sowie auskömmliche Marktbedingungen zu schaffen.

Das Bundeskabinett hat am 13. Dezember 2023 seine Nationale Pharmastrategie beschlossen. Diese Handlungskonzepte beinhalten in acht Kapiteln mehrere bedeutende Maßnahmen zur Stärkung und Ausbau des Innovations- und Produktionsstandortes Deutschland. Einige der wichtigsten und weitreichendsten Pläne zur Verbesserung der Rahmenbedingungen für klinische Forschung sollen im Medizinforschungsgesetz zusammengefasst werden.

Der Pharmastrategie waren mehrere Iterationen dieses Papiers vorausgegangenen, die zum Teil auch öffentlich geworden sind. Zudem fand am 30. November ein Gipfel im Kanzleramt statt, auf dem der BPI in erster Reihe vertreten war.

Wie wirkt sich die Pharmastrategie auf pharmazeutische Unternehmen aus?

1.2. Mononationale klinischen Prüfungen

  • Die Bearbeitungszeiten werden angepasst: Die Bewertung mangelfreier Anträge soll innerhalb von 26 Tagen erfolgen, die Entscheidung über den Antrag innerhalb von 5 Tagen. Daraus resultiert ein Zeitgewinn für die forschende Industrie von bis zu 19 Tagen. 

1.3. Strahlenschutzverfahren

  • Sowohl die Anzeigen als auch die Genehmigungsanträge im Strahlenschutzverfahren sollen gemeinsam mit dem Antrag auf Genehmigung der klinischen Prüfung bei der koordinierenden Arzneimittelzulassungsbehörde eingereicht werden.  

  • Die Antragseinreichung soll zukünftig auf Englisch möglich sein und soll digital über CTIS erfolgen. 

  • Zudem: Zeitersparnis
    - Anforderungen an die strahlenschutzrechtlich erforderlichen Unterlagen werden konkretisiert und Doppelprüfungen abgebaut, indem die Prüfung im Anzeigeverfahren vollständig durch die Ethik-Kommissionen erfolgen soll.  

1.4. Mustervertragsklauseln für klinische Prüfungen von Humanarzneimitteln

  • Das BMG stellt praxistaugliche Mustervertragsklauseln für die Verträge zwischen Sponsoren, Prüfzentrum und ggf. Dritten zur Verfügung. 

1.5. Dezentrale klinischer Prüfungen (Decentralised Clinical Trials)

  • Der Sondervertriebsweg für Arzneimittel, die in klinischen Prüfungen abgegeben werden, wird um die direkte Arzneimittelabgabe an Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmer erweitert. 

1.6. Prüf- und Hilfspräparate

  • Die Kennzeichnung ausschließlich in englischer Sprache wird ermöglicht. Die Regelung umfasst nur Prüf- und Hilfspräparate, die ausschließlich in den Händen der Prüfärztinnen und Prüfärzte oder ärztlichen Mitglieder des Prüfteams verbleiben und von diesen direkt den Prüfungsteilnehmerinnen und -teilnehmern verabreicht werden. 

1.7. Sicherstellung der Funktionsfähigkeit und Verbesserung von CTIS

  • Unternehmen können darauf hoffen, dass CTIS mit verbesserter Funktion störungsfrei läuft.
    - Seit 31. Januar 2023 müssen alle Anträge auf Genehmigung klinischer Prüfungen von Humanarzneimitteln in der EU über das Informationssystem für klinische Prüfungen von Humanarzneimitteln (Clinical Trials Information System, CTIS) eingereicht werden.

 

Fazit Kapitel 1

Positiv: 

  • In der Gesamtschau ist die Strategie im Bereich der klinischen Prüfungen zu begrüßen.
    - Die Situation für die kommerziellen Sponsoren und CROS (aus den Reihen der BPI-Mitglieder) könnte sich durchaus bessern und Deutschland würde wieder an Attraktivität als Studienstandort gewinnen. 

  • Einzelmaßnahmen beschleunigen Klinische Prüfungen in Gänze
    - u. a. kürzere Fristen, Zentralisierungen („weniger Beteiligte“), kurze Wege 

  • Bestenfalls erhalten pharmazeutische Unternehmen praxistaugliche Hilfestellungen
    - z. B. funktionsfähiges CTIS, Mustervertragsklauseln vom BMG 

  • „internationaler“ Charakter Klinischer Prüfungen wird gefördert 
    (englischsprachige Erweiterungen à Mehrwert für international agierende Unternehmen)
    - z. B. Antragseinreichung Strahlenschutzverfahren – in Englisch möglich
    - z. B. Kennzeichnung von Prüf- und Hilfspräparaten ausschließlich in englischer Sprache möglich (vgl. Kap. 1.6)

Negativ / Offene Punkte

  • Errichtung einer Bundes-Ethik-Kommission: Lediglich unklar ist derzeit noch, in welchem Maße eine Bundes-Ethik-Kommission die derzeitige Lage der klinischen Forschung in Deutschland im Sinne eines Forschungsstandortes verbessern könnte. Und welchen Beitrag sie leistet, um Deutschland wieder zu dem führenden Standort für klinische Prüfungen in Europa zu machen.

  • Förderung dezentraler Studien: Unklar bleibt auch, warum nur der eine genannte Punkt aufgegriffen wurde. Denn nur ein vollständiges, umfassendes Paket von zahlreichen, dringend notwendigen Maßnahmen, die nicht in der Strategie genannt werden, hat das Potenzial, dass diese zeitgerechte Art von neuen Studien in Deutschland überhaupt erst eine Chance auf Zukunft hierzulande hätte.

2.1. Neuregelung der Zuständigkeiten der Zulassungsbehörden BfArM und PE

  • Das BfArM wird zentraler Ansprechpartner für die pharmazeutischen Unternehmen, ist verantwortlich für administrative Prozesse und koordiniert die Verfahren Ethikvotum, Strahlenschutzprüfung (vgl. Punkt 1.3), die Schnittstelle zum Forschungsdatenzentrum und weitere Prozesse. Die neue Koordinierungs- und Verfahrensmanagement-Stelle beim BfArM übernimmt das Verfahrens-Controlling mit dem Ziel der Beschleunigung.

  • Das BfArM wird künftig die Koordinierung und das Verfahrensmanagement für Zulassungsverfahren und Anträge zu klinischen Prüfungen für alle Arzneimittel, ausgenommen Impfstoffe und Blutprodukte, übernehmen. 

2.3. Internationale Zusammenarbeit der Überwachungsbehörden

  • GMP-Zertifikate sollen auch für Betriebsstätten außerhalb der Territorien der Vertragspartner anerkannt werden 
    - Im Rahmen von Mutual Recognition Agreements (MRA) -Abkommen setzt sich Deutschland dafür bei der EU-Kommission ein. 

 

Fazit Kapitel 2:

Positiv: 

  • Eine effiziente Aufteilung der Arbeitsgebiete der Bundesoberbehörden BfArM und PEI ist prinzipiell begrüßenswert, um Doppelarbeiten zu vermeiden.  

Negativ / Offene Punkte: 

  • Beim Aufgabenzuwachs dürfen die Arbeiten für die regulatorischen Verfahren nicht ins Hintertreffen geraten (Ressourcen-Verfügbarkeit bedenken).

Umsetzung des Gesundheitsdatennutzungsgesetz 

3.1. Forschungsdatenzentrum beim BfArM  

  • Mit Inkrafttreten des Gesetzes werden bestehende Hürden bei der Nutzung von Gesundheitsdaten weiter abgebaut werden. 
    Bei der Beantragung einer Nutzung von Daten des Forschungsdatenzentrums (FDZ) wird auf eine abschließende Liste der Antragsberechtigten verzichtet. Stattdessen wird der angestrebte Zweck für einen Datenzugang maßgeblich sein. Damit steht der Zugang zu den Daten des FDZ erstmals auch für die pharmazeutische Forschung offen.
    - Es wird insbesondere auch auf eine klare Definition von Anforderungen für die Beantragung und für die Genehmigung des Antrages hingewirkt.

3.2. Dateninfrastruktur des Modellvorhabens Genomsequenzierung für forschende Industrie

  • Die Nutzung der Daten aus dem Modellvorhaben wird für die private Forschung und damit auch für die pharmazeutische Industrie ermöglicht. Darüber hinaus wird eine europäische Anbindung über die europäische Genomdateninfrastruktur (GDI, im Aufbau) und über den europäischen Gesundheitsdatenraum vorbereitet.
    - Über das Modellvorhaben Genomsequenzierung (§ 64e SGB V) werden genomische und klinische Daten im Bereich seltener und onkologischer Erkrankungen qualitätsgesichert und interoperabel erhoben und für die Versorgung und Forschung zugänglich gemacht, denn das innovative Potential genomischer Daten ist immens. Es kann sich aber nur im Zusammenspiel zwischen Versorgung und Forschung entfalten.

3.3. Datenschutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben

  • Die federführende Datenschutzaufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben wird auf alle Gesundheitsdaten erweitert, d. h. die datenschutzrechtliche Aufsicht für länderübergreifende Forschungsvorhaben im Gesundheitswesen wird künftig durch eine federführende Landesdatenschutzaufsicht besser koordinierbar. 
    - Sofern bei länderübergreifenden Forschungsvorhaben von nicht-öffentlichen Partnern (Unternehmen) eine gemeinsame datenschutzrechtliche Verantwortlichkeit vorliegt, können sich die beteiligten Partner dafür entscheiden, dass eine einzige Datenschutzaufsicht alleine zuständig wird. 

 

Fazit Kapitel 3:

Positiv 

  • GDNG zahlt auf Patientenversorgung ein
    - Mit dem GDNG wird erstmalig die Nutzung von Gesundheitsdaten in den Vordergrund gestellt. Diese trägt dazu bei, Erkrankungen besser zu verstehen, neue Therapien zu entwickeln, Krankheiten vorzubeugen und Versorgungsstrukturen weiterzuentwickeln.
    - Das GDNG enthält (im Zusammenspiel mit dem geplanten DigiG) positive Ansätze, um den Forschungsstandort Deutschland wieder attraktiver zu gestalten und durch die Kombination von digitalen Daten und digitalen Technologien die Versorgung der Bevölkerung zu verbessern. 

  • Einführung einer Datenzugangs- und Koordinierungsstelle als zentraler Ansprechpartner
    - Gesundheitsdaten besser auffindbar; Geringerer Aufwand für Datennutzende bei der Verknüpfung von Daten aus unterschiedlichen Quellen 

  • Abbau bürokratischer Hürden durch neue Instrumente: Datenzugangs- und Koordinierungsstelle; Konzept einer federführende Datenschutzbehörde. 

Negativ / Offene Punkte: 

  • Konsequente Berücksichtigung der privaten Forschung
    - finanziert einen Großteil der Forschungsvorhaben in Deutschland.
    - Um die Innovationsfähigkeit am Standort DE weiter auszubauen, braucht es eine konsequente Weiterführung der jetzt begonnen Entwicklung 

  • Digitale und strukturierte Form von Gesundheitsdaten
    - Wichtig ist, dass Gesundheitsdaten ausschließlich in digitaler und strukturierter Form erfasst und gespeichert werden.
    - Leistungserbringer müssen befähigt und ermutigt werden, Gesundheitsdaten zu teilen. Konkrete Regelungen für Interoperabilität, einheitlicher Datenqualität und Technologieoffenheit sollten in weiteren regulatorischen Verfahren zeitnah festgelegt werden. 

  • Weitere Schritte notwendig
    - z. B. die Anbindung weiterer Register an das Forschungsdatenzentrum
    - z. B. Abbau weiterer bürokratischer Hürden bei der Beantragung und Durchführung von klinischen Studien
    - z. B. nutzenorientierte Auslegung der Datenschutzgrundverordnung

4.1. Prüfung von Anreizsystemen für Produktionsstätten (Fokus Antibiotika)

  • Der Aufbau von Produktionsstätten in Deutschland soll attraktiver werden.
    - Das BMWK und BMG prüfen im Rahmen einer gemeinsamen Projektstruktur gezielte Förderinstrumente als ein wichtiges Element für den Aufbau von neuen Produktionsstätten
    - Deutschland unterstützt das Ziel, Abhängigkeiten im europäischen Ausland zu reduzieren und ist bereit, zielführende Initiativen der Europäischen Kommission auch für den Pharmabereich und die Biotechnologie zu prüfen. 

4.2. Weiterer Zuschüsse zur Gewährung der Versorgungssicherheit im Rahmen der sozialrechtlichen Preisregulierung

  • Die im ALBVVG getroffenen Maßnahmen werden auf ausgewählte andere Arzneimittel ausgeweitet, insbesondere onkologische Arzneimittel.
    - u. a. Rabattvertragsregelungen zunächst für Antibiotika: Hälfte der Lose für Rabattverträge mit Herstellern mit Wirkstoffherstellung in EU/Europäischen Wirtschaftsraum (EWR)) im Rahmen der Rabattverträge zur Stärkung des EU-Standortes 

4.3. EU-Vergaberecht

  • Deutschland entwickelt Vorschläge zur Änderung und Weiterentwicklung des EU-Vergaberechts für kritische Arzneimittel zur Erhöhung der Liefersicherheit und Diversifizierung von Lieferketten, z. B. im Hinblick auf EU-Produktion und setzt sich für deren Umsetzung ein (analog zu anderen kritischen Bereichen).  

4.4. Erarbeitung eines Vergabetransformationspakets

  • Die öffentliche Beschaffung soll vereinfacht, professionalisiert, digitalisiert und beschleunigt sowie ihre wirtschaftliche, soziale, ökologische und innovative Ausrichtung gestärkt werden, ohne dabei die Rechtssicherheit von Vergabeentscheidungen zu gefährden oder die Zugangshürden für den Mittelstand zu erhöhen. Ein Fokus des sogenannten Vergabetransformationspakets liegt auf der Vermeidung zusätzlicher Bürokratie.  

  • Im Winter 2023/2024 soll ein Referentenentwurf vorgelegt werden. Die Maßnahmen kommen auch der Pharmaindustrie zugute.  

4.5. EU Critical Medicines Act

  • Analog zum Critical Raw Material und dem Chips Act bedarf es eines „Critical Medicines Act (CMA)“ durch die Europäische Kommission, insbesondere um wirtschaftspolitische Maßnahmen für kritische Arzneimittel umzusetzen. Deutschland unterstützt aktiv die Konkretisierung dieser Initiative, um eine schnelle Umsetzung sicherzustellen.

 

Fazit Kapitel 4:

Positiv: 

  • Finanzielle Förderung des Aufbaus einer Ende-zu-Ende Antibiotika-Produktion in Ostdeutschland durch Bundesbeihilfe 

  • Erweiterung der Vergabekriterien für versorgungskritische Arzneimittel
    - um die Kriterien der höheren Liefersicherheit, EU-Produktion und Diversifizierung von Lieferketten (analog zu anderen kritischen Bereichen wie Energie
    - Förderung versorgungssichernder Produktion ist eine gute Voraussetzung, um europaweit Anreize zum Reshoring zu setzen und die Versorgung der Europäer mit wichtigen Arzneimitteln zu sichern.
    - Die Erweiterung der Vergabekriterien für Arzneimittel um Kriterien zur Stärkung der Versorgungssicherheit und -autonomie entspricht einer langjährigen Forderung des BPI. 

Negativ / Offene Punkte: 

  • Die Anreize zur Ansiedlung von Herstellungsstätten „springen“ in Teilen zu kurz und in Teilen daneben. Ferner sind nirgends aktuelle Maßnahmen für den Erhalt der NOCH bestehenden Produktionsstätten benannt.

  • Künftig sollte eine Förderung durch den Bund auch für den Aufbau einer Antibiotika-Produktion in der gesamten Bundesrepublik – mit möglichst unbürokratischen Antragsverfahren – vorgenommen werden.

  • Implementierung von Push- und Pull-Mechanismen 

  • Fraglich ist, ob eine Begrenzung der Vergabekriterien gerade auf kritische Arzneimittel sinnvoll ist. Denn tatsächlich geht es lediglich um die Eröffnung des Rechtsrahmens, um EU-Produktion im Rahmen des Einsparinstruments „Rabattverträge“ besonders zu vergüten. Verlässliche Rahmenbedingungen werden damit gleichwohl nicht geschaffen. Es steigt zwar die Chance, dass EU-Produktion besser honoriert wird – gleichwohl bedingt dies einen Zuschlag im Rahmen des Teilnahmewettbewerbs. Die Zweifel, die beim System des ALBVVG bestehen, gelten somit auch bei einem Transfer auf die EU-Ebene.

5.1. EU-Pharmapaket

  • Insbesondere lehnt Deutschland eine Verkürzung des Unterlagenschutzes ab.

  • Deutschland setzt sich für die regulatorische Vereinfachung der Zulassungsverfahren ein
    - z. B. Verkürzung von Bearbeitungsfristen, Reduzierung der Zahl der wissenschaftlichen Ausschüsse, Wegfall eines Verlängerungsantrages für die Zulassung, starke Wettbewerbsfähigkeit der regulatorischen Rahmenbedingungen 

5.2. EU-Patentpaket & Internationales Pandemieabkommen

  • Keine Schwächung des Patentschutzes
    - Deutschland setzt sich auf europäischer und internationaler Ebene dafür ein, dass die Schutzsysteme für geistige Eigentumsrechte nicht abgeschwächt werden.
    - Die Bundesregierung spricht sich auch weiterhin gegen TRIPS-Waiver (Trade Related Aspects of Intellectual Property Rights (TRIPS)) und verpflichtenden Technologietransfer aus.
    - Die Bundesregierung setzt sich auch darüber hinaus für international vergleichbare Wettbewerbsbedingungen für die deutsche Pharmaindustrie ein.

     

Fazit Kapitel 5: 

Positiv: 

  • Ablehnung einer Verkürzung des Unterlagenschutzes
    - Eine Verkürzung des Unterlagenschutzes würde die Entwicklung innovativer Arzneimittel hemmen und die EU nicht zu einem wettbewerbsfähigen Standort machen. 

  • Vereinfachung der regulatorischen Verfahren
    - z. B. Variations, erleichterte Meldung neuer Lieferanten/erleichterter Wechsel von Lieferanten von Rohstoffen/Vorprodukte
    - Digitalisierung schafft neue Effizienzen, die im Falle der elektronischen Produktinformationen bei der Lieferfähigkeit unterstützen können. 

Negativ / Offene Fragen: 

  • Verpflichtung zur Vermarktung (Launch Conditionality) sollte vom Unterlagenschutz entkoppelt werden

  • Die Umstrukturierung der EMA darf nicht zu Lasten der Effizienz gehen und muss weiterhin eine agile Zusammenarbeit der Experten ermöglichen. 

  • Grundsätzlich ist anzumerken, dass das derzeitige Pharma-Package zu viele weitere Verpflichtungen vorsieht und wirklich große Sprünge gerade in Bezug auf die Versorgungssicherheit und den Produktionserhalt innerhalb der EU bislang nicht enthalten sind. 

  • Klinische Prüfungen: Abdeckung von Schäden an Dritten (inkl. Umwelt)
    - Im EU-Pharmapaket sind die Forderungen nach Versicherungen für klinische Prüfungen derart ausgestaltet, dass zukünftig auch neben den Schäden der Prüfungsteilnehmer auch die Schäden an Dritten und der Umwelt abgedeckt sein sollen. Bisher sind keine solche Schäden bekannt, die eine solche massive Änderung im Versicherungsumfang notwendig machen. Damit werden jedoch die Kosten für die Versicherungen derart in die Höhe getrieben werden, dass zumindest die akademische Forschung in Deutschland zukünftig kaum noch in der finanziellen Lage sein wird, eigene klinische Prüfungen aufzusetzen und durchzuführen. 

  • Harmonisierung europäischer und nationaler Initiativen
    - Die Revision der EU-Arzneimittelgesetzgebung sowie die Legislativvorschläge des Patentpakets werden massive Auswirkungen auf die von den Bundesministerien geplanten Initiativen haben. Hier sollte schnellstmöglich ein stetiger Austausch angestrebt werden, um etwaige negative Auswirkungen durch die EU-Gesetzgebung bereits frühzeitig zu vermeiden.

6.1. Stärkung der Forschung und Entwicklung in Bereichen, in denen Marktversagen besteht

  • Gezielte Unterstützung für Forschung und Entwicklung von Arzneimitteln, bei denen ein Marktversagen besteht, wird fortgeführt.
    - z. B. Antibiotika, Arzneimittel für seltene Erkrankungen, Impfstoffe und Arzneimittel zur Pandemieprävention
    - Der Fokus liegt hierbei auf Projektförderung und institutioneller Förderung für frühe Entwicklungsphasen und der Beteiligung an internationalen öffentlich-privaten Partnerschaften, um auch späte Entwicklungsphasen zu unterstützen.  

  • Weitere pull-incentives werden geprüft 
    - insbesondere Antibiotika, bei Bedarf auch Arzneimittel für seltene Erkrankungen, Impfstoffe und Arzneimittel zur Pandemieprävention 

6.2. Forschungszulage im Wachstumschancengesetz

  • Im Wachstumschancengesetz ist u. a. eine umfangreiche Ausweitung der steuerlichen Forschungsförderung (Forschungszulage) vorgesehen, die auch den in Deutschland forschenden Pharmaunternehmen zugutekommen wird.
    - Förderfähige Aufwendungen werden auf – bestimmte – Sachkosten ausgeweitet und die Bemessungsgrundlagenhöchstgrenze wird auf 12 Millionen Euro verdreifacht. Gerade hier sind auch forschende Pharmaunternehmen angesprochen.
    - Zusätzlich sollen KMU auf Antrag einen um zehn Prozentpunkte höheren Fördersatz beantragen können. Dabei werden die Spielräume genutzt, die das EU-Beihilferecht bietet. 

  • Darüber hinaus sollen die Forschung und Entwicklung steuerlich durch einen erweiterten Verlustabzug gefördert werden.   
  • Weitere steuerliche Förderinstrumente insbesondere im Vergleich zu anderen EU-Mitgliedstaaten werden geprüft.   

6.3. Wachstumsfinanzierung

  • Wagniskapitalfinanzierung: Mittels eines Gutachtens wird geklärt, ob und wo die bestehenden und bereits geplanten branchenoffenen Angebote zur Wachstumsfinanzierung auch für Branchen wie z. B. Medizin und Bioökonomie verbessert werden können. Die Ergebnisse des Gutachtens sollen bis Ende 2023 vorliegen. Falls ein entsprechender Bedarf festgestellt wird, werden Maßnahmen zur Verbesserung der Angebote für Wachstumsfinanzierung identifiziert.  

6.4. Überwindung der Translationslücke

  • Translation akademischer Forschungsergebnisse: Es werden Maßnahmen weitergeführt und entwickelt, die den Transfer in die Unternehmen stärken
    - z. B. EXIST – Existenzgründungen aus der Wissenschaft, GO-Bio, GO-Bio initial und KMUi Biomedizin 

  • Sommer 2024: Veröffentlichung der Nationalen Strategie für Gen- und Zelltherapie
    - Zielstellung: Stärkung und Vernetzung aller Beteiligten von der Grundlagenforschung bis in die Versorgung. 

6.5. Gentechnikgesetz

  • Einzelne Vollzugsfragen zum Transport von Arzneimitteln für neuartige Therapien mit genetisch veränderten Organismen (ATMP) vom Hersteller zum Anwender (Arzt/Ärztin) werden gegebenenfalls harmonisiert und vereinfacht.   

6.6. Wagniskapitalangebot für junge Unternehmen

  • Zukunftsfondsmodul RegioInnoGrowth (RIG) adressiert u. a. Biotechnologieunternehmen aus Baden-Württemberg.
    - Über das Mitte August 2023 gestartete Zukunftsfondsmodul RegioInnoGrowth (RIG) ermöglicht die Bundesregierung den Bundesländern die Auflage landesspezifischer Finanzierungsprogramme wie InnoGrowth BW. Dieses ist Mitte Oktober gestartet. 

  • „Wachstumsfonds Deutschland“: Um insbesondere große, professionelle private Investoren wie z. B. Versicherungen, Pensionskassen oder Stiftungen zu adressieren, hat BMWK gemeinsam mit der KfW Capital im Rahmen des Zukunftsfonds mit dem „Wachstumsfonds Deutschland“ einen strukturierten Dachfonds in Höhe von rund einer Milliarde Euro konzipiert. 

  • Das am 17. November im Bundestag verabschiedete Zukunftsfinanzierungsgesetz verbessert für alle Branchen die Möglichkeiten der Eigenkapitalfinanzierung für KMU und insbesondere für junge Unternehmen. 

  • Das BMF wird Maßnahmen ergreifen, um die Finanzierungsbedingungen insbesondere für junge Unternehmen in Deutschland zu verbessern und private Kapitalsammelstellen zu motivieren, u.a. in Technologie-Firmen zu investieren; dem französischen Plan Tibi folgend strebt die Bundesregierung an, zusammen mit der deutschen Finanzwirtschaft eine Investitionsinitiative zur Stärkung der Venture Capital2/Innovationsfinanzierung und des Kapitalmarktstandortes Deutschland zu strukturieren.  

6.7. EXIST - Existenzgründungen aus der Wissenschaft

  • Die Bundesregierung wird mit der im April 2023 neu veröffentlichten EXIST-Förderrichtlinie zukünftig deutlich mehr finanzielle und operative Flexibilität für innovative, risikoreiche und aufwändige Gründungsvorhaben aus der Wissenschaft, wie z. B. der Wirkstoffentwicklung, ermöglichen.  

6.8. German Accelerator

  • Neben dem themenoffenen Angebot des German Accelerator werden durch den Life Science Accelerator in Boston wie bisher gezielt Start-ups aus den Lebenswissenschaften angesprochen und durch erfahrene Coaches und Berater aus der Industrie und der Finanzwelt begleitet – bspw. bei der U.S. Food and Drug Administration (FDA) Zulassung und Internationalisierung.  

6.9 Förderprogramme

  • Die Bundesregierung bietet vielfältige Förderprogramme an, die auch Unternehmen aus der Pharmabranche offenstehen. 

  • Der Bund unterstützt Unternehmen mit individueller und schneller Beratung zu passenden Förderprogrammen, die kontinuierlich an den wechselnden Bedarf angepasst werden. 

  • Aktuell wird beispielsweise die Förderrichtlinie „Industrielle Bioökonomie“ neugefasst. Im Rahmen der Neufassung werden auch Vertreter von Biotech-Unternehmen der Pharmaindustrie aktiv eingebunden. 

  • Der Bund unterstützt mit der Germany Trade And Invest (GTAI) bei der Standortsuche und bietet spezielle Programme für strukturschwache Regionen. 

 

Fazit Kapitel 6:

Positiv: 

  • Ausbau der Forschungszulage in der derzeitigen Fassung des Wachstumschancengesetzes 

  • Die vorgesehene Einbeziehung von Sachkosten in die Bemessungsgrundlage  

Negativ / Offene Punkte: 

  • Bei der Bemessungsgrundlage der Forschungszulage bleibt unklar, warum sich diese Sachkosten auf das Anlagevermögen und nicht auch auf das Umlaufvermögen (Verbrauchsgüter) beschränken. 

  • Die Ausgestaltung der geplanten Verbesserung der steuerlichen F&E-Förderung muss weiter entbürokratisiert werden, um die volle Hebelwirkung dieser Maßnahme zu erreichen.

7.1. AMNOG-Reform: Wiederholte Evaluierung

  • Überprüfung der AMNOG-Reform unter Beteiligung der Stakeholder (2024 in Form einer externen Evaluation): Das BMG wird bis Ende 2023 eine Evaluation der Reform der Erstattungsbetragsverhandlung von neuen Arzneimitteln (AMNOG-Reform) durch das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz durchführen. So wird insbesondere auch geprüft, ob bereits Effekte durch die Reform auf die Versorgungssicherheit und im Einvernehmen mit dem BMWK auf den Produktionsstandort erkennbar sind.  

7.2. Vertraulichen Erstattungsbetrag ermöglichen

  • Die Ablösung des öffentlich gelisteten Erstattungsbetrags durch einen vertraulichen Erstattungsbetrag im Rahmen der Erstattungsbetragsverhandlungen wird ermöglicht.
    - Es muss sichergestellt werden, dass vertrauliche Erstattungsbeträge bei neuen Arzneimitteln nicht zu Mehrausgaben oder zu neuer Bürokratie für das deutsche Gesundheitswesen führen. Hierzu sind weitere Folgeregelungen notwendig. Die vertraulichen Erstattungsbeträge werden bei Verhandlungen der Hilfstaxe und in anderen Erstattungsbetragsverhandlungen berücksichtigt.

  • Umsetzung: Pharmazeutische Unternehmer müssen den vertraulichen Erstattungsbetrag den Anspruchsberechtigten (u. a. Einzelkassen, PKV, Beihilfe, Krankenhäusern, Justizvollzugsanstalten) mitteilen und die Differenz zu dem vom Hersteller frei gewählten Preis ausgleichen. 

7.3. Herstellerabschläge

  • Die Bundesregierung beabsichtigt, den Herstellerabschlag für erstattungsfähige Arzneimittel ohne Festbetrag auf dem Niveau von 7 % zu stabilisieren. 

 

Fazit Kapitel 7:

Positiv: 

  • Die öffentliche Listung des Erstattungsbetrags war und ist für pharmazeutische Unternehmen wegen der Referenzwirkung ein wichtiger Faktor, der im worst case auch Marktaustritte befördert. Daher ist die Rückkehr zum ursprünglichen AMNOG-System, wie es seinerzeit durch die pharmazeutische Industrie mit entwickelt wurde, zu begrüßen.

  • Es ist ein erster wichtiger Schritt, die Herstellerabschläge künftig nicht weiter und fristlos erhöhen zu wollen. 

Negativ / Offene Punkte: 

  • Es ist wichtig, dass Korrekturen im Erstattungssystem vorgenommen werden, wenn sich Fehlentwicklungen abzeichnen.
    - z. B. wie bei der Einführung der automatischen Substitution von Biopharmazeutika auf Apothekenebene. Eine Substitution ebnet den Weg für die gleiche Marktentwicklung wie bei Generika. 

  • Rabattvertrags-Konkurrenz beenden!
    - Derzeit wird mit halbherzigen Maßnahmen versucht, die Folgen einer Über-Ökonomisierung des Gesundheitswesens – nämlich die durch Rabattvertrags-Konkurrenz immer weiter nach unten getriebenen Preisspirale – abzumildern.
    - Die Einführung der automatischen Substitution für Biopharmazeutika wird den gleichen Effekt haben: Rabattvertragsschlacht, Preisabsenkungen, Produktionsstandortaufgabe in Europa, um die dann niedrigeren Preise für diese hochkomplexen Moleküle darstellen zu können, in der Folge dann Lieferunsicherheiten etc. Und das, obwohl der Wettbewerb bei Biopharmazeutika durch die zum Teil 90%igen Marktanteile von Nachahmerprodukten (Biosimilar) sehr gut funktioniert. 

  • Erst eine vollständige Abschaffung von Zwangsabschlägen würde pharmazeutische Unternehmen entlasten.
    - Schließlich kumulieren die bisherigen mit dem GKV-FinStG erhöhten Herstellerabschläge mit weiteren Sparmaßnahmen.
    - Zudem zeigt sich gerade bei der Ausgestaltung des sogenannten Kombinationsabschlags eine Komplexität, die eine fallgenaue Abrechnung nahezu unmöglich macht und zudem enorm viel Bürokratie entstehen lässt. 

  • Es bedarf einer Obergrenze für Belastungen und einer Hierarchisierung der Anwendung der vorgesehenen Abschläge.
    - Ein besonders gravierendes Versäumnis sieht der BPI darin, dass zuletzt mit dem GKV-FinStG eingeführte Sparmaßnahmen nicht in Bezug auf mögliche Kumulationseffekte geprüft wurden, z. B. durch die neuen “AMNOG-Leitplanken” und durch Anfall des neu eingeführten Kombinationsabschlags.

8.1. Verstärkte Digitalisierung der Antragsprozesse

  • Die Bundesregierung setzt sich für eine verstärkte Digitalisierung der Antragsprozesse in Genehmigungsverfahren ein. Sie hat u.a. einen Gesetzentwurf zur Änderung des Onlinezugangsgesetzes vorgelegt.  

8.2. Bürokratieentlastungsgesetz IV

  • Im Jahr 2023? wird ein Entwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz IV vorgelegt. Das BMG hat eigene Vorschläge zur Entbürokratisierung vorgelegt. Diese berücksichtigen auch die Anforderungen der Pharmabranche.  

8.3 Einrichtung eines gemeinsamen Gesprächsformates mit der Industrie, Best-Practice-Dialog und Vernetzung

  • BMG und BMWK erörtern gemeinsam mit Vertretern der Industrie und weiteren Beteiligten (z.B. Selbstverwaltung, Bundesoberbehörden) Handlungsbedarfe und Verbesserungsmöglichkeiten insbesondere mit Blick auf aktuelle und zukünftige Entwicklungen wie z.B. neue Therapieformen. Hierbei wird ein Best-Practice Ansatz zugrunde gelegt.   

  • BioTech-Bereich: Die Bundesregierung fördert die Vernetzung der Akteure. So hat die Bundesregierung z. B. eine Landkarte mit Beispielregionen der industriellen Bioökonomie veröffentlicht. Dort ist auch ersichtlich, in welchen Regionen die Pharmaindustrie vertreten ist. U. a. wird auf eine Arzneiregion in Mitteldeutschland verwiesen.
     

Fazit Kapitel 8: 

Positiv: 

  • Eine grundlegende Überarbeitung des Hersteller-Abschlagssystem für Arzneimittel im Sinne einer Simplifizierung wäre ein großer Gewinn für das deutsche Erstattungssystem. 

Negativ / Offene Punkte: 

  • Auch regulatorisch besteht dringender Handlungsbedarf in Richtung Bürokratieentlastung. Faktisch ist der Mittelstand regulatorisch überlastet. Er ist nicht mehr in der Lage, die Landes-, Bundes- und EU-Regulierungen zu sichten und zeitnah zu implementieren. Hier liegt ein großes Wertschöpfungspotential für die ganze Gesellschaft, denn die Bürokratie bindet Ressource, verschlingt finanzielle Ressourcen.