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Umfrage: Große Bereitschaft zur Studienteilnahme

Die Bundesregierung und verschiedene medizinische und industrielle Organisationen setzen sich dafür ein, dass Deutschland international wieder eine größere Rolle bei klinischen Arzneimittelstudien spielt. Schließlich sind diese nicht nur unverzichtbar für die Entwicklung neuer Therapien, sondern auch ein wertvolles Angebot für die Bevölkerung, mehr als „nur“ die zugelassenen Behandlungen zu erhalten. Doch wie steht es hierzulande mit der grundlegenden Bereitschaft in der Bevölkerung, an klinischen Studien mitzuwirken? Das untersuchte das Meinungsforschungsinstitut Civey im Auftrag der Pharmaverbände BPI und vfa in einer repräsentativen Umfrage. Die Ergebnisse sind ermutigend.

Civey führte die repräsentative Umfrage im Zeitraum von 10. bis 21. Juni 2024 in Deutschland mit insgesamt 5001 erwachsenen Teilnehmenden durchschnittlich 70 Prozent dieser Befragten gaben an, noch nie an einer Studie teilgenommen zu haben.


Deutschland zählt europaweit zu den Schlusslichtern, wenn es um die Mitwirkung an klinischen Studien geht: Pro Million Einwohner werden nur rund 1.500 Teilnehmer:innen gezählt; während es bei Spitzenreiter Dänemark rund 29.000 sind. Das wird mitunter als Folge einer skeptischen Grundhaltung gedeutet. Die aktuelle Umfrage jedoch zeigt ein anderes Bild: Auf die Frage „Würden sie grundsätzlich an einer klinischen Studie teilnehmen?“ antworteten ganze 45 Prozent der Befragten mit "eher Ja", 35 Prozent mit “eher Nein”; 20 Prozent waren unentschieden. Größere Unterschiede zwischen verschiedenen Altersgruppen traten dabei nicht in Erscheinung (siehe Diagramm).


Hingegen zeigte sich ein geringer Geschlechtsunterschied: Während 47 Prozent der Männer angaben, zur Teilnahme grundsätzlich bereit zu sein, galt das nur für 43 Prozent der Frauen. Dies ist im Einklang mit den Erfahrungen aus dem Studienwesen, wonach Frauen im Schnitt zurückhaltender hinsichtlich einer Studienteilnahme sind.


Auf die Frage, was sie am ehesten mit dem Begriff „klinische Studie“ verbinden (mehrere Antworten möglich), nannten die Befragten vor allem positive Aspekte, nämlich „Hoffnung auf bessere Therapie“ (51 %), „Chance bei unheilbaren Erkrankungen“ (47 %) und „Zuversicht in medizinischen Fortschritt“ (40 %). Erst an vierter Stelle und mit weitem Abstand folgte „Angst vor Nebenwirkungen und Risiken“ (26 %), an fünfter Stelle dann „Misstrauen gegenüber der Pharmaindustrie“ (17 %). 


Dabei schätzten nur 26 Prozent der Befragten ihr Wissen über klinische Studien als sehr gut oder eher gut ein; alle anderen mussten demnach vor allem nach dem Hörensagen urteilen.


Für eine Studienteilnahme sprachen für die Befragten (die mehrere Antworten auswählen konnten) vor allem die „Chance auf Heilung bzw. die Linderung von Beschwerden“ (46 %), der „Zugang zu neuen Behandlungen“ (39 %) und die Möglichkeit, den „Medizinischen Fortschritt [zu] unterstützen“ (36 %). Ein Drittel der Befragten hatten also nicht nur ihren persönlichen Nutzen im Blick.


Unter den Aspekten, die gegen eine Studienteilnahme sprechen, wurde allen voran „Angst vor Nebenwirkung“ (48 %) genannt. Der Umstand, dass es um eine „Therapie mit nicht zugelassenen Medikamenten“ (29 %) geht, spielt für einige auch noch eine Rolle. Nur für wenige waren die „Sorge, ein Placebo zu erhalten“ (15 %), der „Zeitaufwand“ (14 %) oder „Sorgen bezüglich Datenschutz“ (4 %) von Belang.


Schließlich wurden die Teilnehmenden noch gefragt, welche Quellen sie nutzen würden, um sich über klinische Studien zu informieren (auch hier waren mehrere Nennungen möglich). Die mit weitem Abstand die bevorzugte Informationsquelle sind demnach Ärztinnen und Ärzte (58 %), gefolgt von medizinischen Fachmedien sowie Internetquellen wie Patientenforen (jeweils 31 %). Eine gewisse Rolle spielen auch Erfahrungsberichte von Personen, die an Studien teilgenommen haben (26 %), und Patientenorganisationen / Selbsthilfegruppen (24 %).

Ähnlich fielen die Antworten auf die Frage aus, wo die Befragten nach passenden Studien suchen würden. 50 Prozent nannten hier Arzt beziehungsweise Ärztin, 31 Prozent dachten an eine Internetrecherche, 22 Prozent an Patientenorganisationen. Das zeigt einmal mehr, welche zentrale Rolle die behandelnden Ärztinnen und Ärzte dafür haben, dass Studien und Teilnahmeinteressierte zueinander finden.

Pharmaunternehmen werden bislang nur von wenigen der Befragten als Quelle von allgemeinen Studieninformationen (13 %) oder spezifischen Studienangeboten (11 %) wahrgenommen. Das überrascht nicht, da bis vor wenigen Jahren so gut wie kein Unternehmen auf länderspezifischen Websites auf seine eigenen laufenden Studien hinwies. Hier ist jedoch eine Trendwende erkennbar: Einige gute Beispiele zeigen die Bewegung in diesem Bereich.
 

Schlussfolgerungen

Die Umfrage macht deutlich, dass die grundsätzliche Teilnahmebereitschaft kein begrenzender Faktor für die Ausweitung des deutschen Studienwesens ist. Entscheidend ist vielmehr, dass Interessierte und Studienangebote künftig besser zueinander finden. Eine Schlüsselstellung dafür haben die bevorzugten Informationsquellen zu Studien: das Internet und die behandelnden Ärztinnen und Ärzte. Das wiederum bedeutet, dass sowohl die medizinischen Laien als auch die Fachleute viel von einem umfassenden, aber zugleich für jeden leicht nutzbaren Online-Register zu den aktuell in Deutschland laufenden Studien hätten. Dieses Register sollte dafür auch mit den Arzt- und Krankenhausinformationssystemen (AIS und KIS) verknüpft sein. BfArM und PEI, die ja über alle diese Studien informiert sind, sind in der besten Position, um ein solches Informationsangebot aufzubauen. Hilfreich wäre aber auch eine über einen längeren Zeitraum angelegte Aktivität der Bundesregierung, die für mehr Aufklärung der Bevölkerung zu klinischen Studien sorgt.