Diabetes mellitus, in der Umgangssprache Zuckerkrankheit genannt, ist auf dem Vormarsch. Allein in Deutschland leben nach Angaben der Deutschen Diabetes Gesellschaft inzwischen mehr als 8,9 Millionen Menschen mit einem sogenannten Typ-2-Diabetes, Tendenz steigend. Jahr für Jahr erkranken rund 500.000 Menschen neu an der tückischen Stoffwechselerkrankung, die oft schleichend und unbemerkt beginnt. Dazu kommen 32.000 Kinder und Jugendliche sowie 340.000 Erwachsene mit dem angeborenen Typ-1-Diabetes sowie eine Dunkelziffer von mindestens zwei Millionen Betroffenen. Sie sind in der Regel lebenslang auf eine Insulintherapie mittels Spritze oder Pen angewiesen.
Strategien zur Prävention, Früherkennung und Behandlung im Fokus
Diabetes ist eine chronische Stoffwechselerkrankung. Kennzeichen ist ein erhöhter Blutzuckerspiegel, der auf einer Insulinresistenz oder einem Insulinmangel beruht. Insulin wird in der Bauchspeicheldrüse gebildet und an den Körper abgegeben, wenn der Zuckergehalt im Blut steigt. Es sorgt dafür, dass der Zucker (Glucose) von den Körperzellen aufgenommen wird und reguliert auf diese Weise den Zuckerspiegel im Blut. Beim Typ-2-Diabetes produziert der Körper zwar Insulin, allerdings reicht die abgegebene Menge nicht aus. Liegt ein Typ-1-Diabetes vor, produziert der Körper erst gar kein oder nur sehr wenig Insulin. Diabetes kann schwere gesundheitliche Folgen nach sich ziehen. „Es können unter anderem Unter- oder Überzuckerung (Hypo- oder Hyperglykämie) auftreten. Die Entwicklung von Sehstörungen, Herzerkrankungen, Nierenleiden und Nervenschäden wird begünstigt“, erklärt Wilken. „Aus diesem Grund stehen innovative, präzise Strategien zur Prävention, Früherkennung und Behandlung von Menschen mit Prädiabetes, einer Vorstufe des Typ-2-Diabetes, oder Diabetes seit Jahren im Fokus der Forschung.“
„Mehrfachwirkstoffe“ dämmen Blutzucker und Appetit
Eine zentrale Säule der Diabetesbehandlung ist die Insulintherapie. Doch die Forschung sucht nach neuen Optionen, um die Lebensqualität und Therapiesituation der Betroffenen weiter zu verbessern. Große Fortschritte in der Behandlung von Typ-2-Diabetes sind GLP-1-Rezeptor-Agonisten (auch GLP-1-Analoga oder Inkretin-Mimetika). Die Abkürzung GLP-1 steht für „Glucagon-like Peptide-1“. Es handelt sich um eines der Darmhormone, das als Reaktion auf die Nahrungsaufnahme ausgeschüttet wird. Als maßgebliche Weiterentwicklung in der Behandlung von Diabetes und Fettleibigkeit (Adipositas) zeichnen sich in der aktuellen Diabetesforschung und -behandlung die so genannten Poly-Agonisten ab, die gleichzeitig die Wirkung mehrerer Hormone nachahmen. „So sorgen etwa sogenannte duale GLP-1 Rezeptoragonisten dafür, dass im Körper mehr Insulin ausgeschüttet wird“, erklärt Wilken. „Zudem können sie abhängig von der Zusammensetzung auch den Appetit reduzieren, das Sättigungsgefühl erhöhen und die Fettverbrennung fördern. Denn Menschen mit Übergewicht haben ein höheres Risiko, an Typ-2-Diabetes zu erkranken.“
Betazellen zentral in der Typ-1-Diabetes-Forschung
Bei der Erforschung von innovativen Behandlungsmethoden des Typ-1-Diabetes bei dem die Bauchspeicheldrüse kaum oder gar kein Insulin mehr produziert, liegt der Hauptfokus dagegen auf den insulinproduzierenden sogenannten Betazellen. „Ziel ist es zum Beispiel, in Autoimmunprozesse einzugreifen, die die Betazellen in der Bauchspeicheldrüse zerstören“, erklärt Wilken. Neue Ansätze fokussieren auf Antikörper gegen bestimmte Abwehrzellen, um die Zerstörung der Betazellen zu bremsen.
Alternativ untersuchen Forscher einen Wirkstoff aus der Herzmedizin namens Verapamil, der die Autoimmunreaktion gegen die Betazellen der Bauchspeicheldrüse möglicherweise modifiziert. Ein weiterer Behandlungsansatz ist auch die Transplantation insulinproduzierender Zellen. Ein solcher Eingriff birgt Risiken und kann auch eine mögliche Abstoßung mit sich bringen. Deswegen untersuchen Wissenschaftler, wie er verbessert werden kann.
„Die innovativen Therapieansätze zur Behandlung von Diabetes mellitus sind vielversprechend und könnten zukünftig zu neuen Behandlungsmöglichkeiten für Menschen mit Diabetes führen“, resümiert Wilken.
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