Zulassung eines Arzneimittels
Arzneimittel dürfen in Deutschland und der europäischen Union nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie durch die zuständige nationale Arzneimittelbehörde oder die europäische Arzneimittelagentur (EMA) zugelassen werden. Diese Zulassungspflicht ist im EU-Arzneimittelrecht verankert und national im Arzneimittelgesetz (AMG) implementiert. Für die Zulassung von Arzneimitteln für andere internationale Märkte sind die dort geltenden Vorschriften anzuwenden.
Für Deutschland regelt der § 21 des Arzneimittelgesetzes (AMG) die Zulassungspflicht für Fertigarzneimittel. Fertigarzneimittel sind Arzneimittel, die im Voraus hergestellt und in einer zur Abgabe an den Verbraucher bestimmten Packung in den Verkehr gebracht werden. Ausgenommen von der Zulassungspflicht sind unter anderem Rezepturarzneimittel. Die Zulassung eines Arzneimittels ist vom pharmazeutischen Unternehmer zu beantragen.
Zulassungsbehörde für
- Humanarzneimittel ist das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM),
- Impfstoffe, Antikörper und Immunglobuline (Sera), Allergene für Allergie-Diagnostik und -Therapie, Arzneimittel für neuartige Therapien, Blutprodukte und Gewebe- und Stammzellzubereitungen ist das Paul-Ehrlich-Institut (PEI),
- Tierarzneimittel ist das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL).
Bei der Zulassung eines Arzneimittels ist der Beleg der Qualität, der Sicherheit und der Wirksamkeit des Arzneimittels im Rahmen eines Zulassungsdossiers vorzulegen.
Das Zulassungsdossier besteht aus fünf Modulen. Die inhaltlichen Anforderungen an die Zulassungsunterlagen sind in den §§ 22 bis 24 AMG festgelegt. Darüber hinaus sind die Anforderungen der Leitlinien, die sich aus den Notice to Applicants (NtA, Band 2 für Humanarzneimittel des europäischen Regelwerks für Arzneimittel EudraLex) und den Guidelines der International Conference on Harmonisation (ICH) ergeben, zu berücksichtigen.
Neben dem Antrag auf Zulassung eines Arzneimittels sind Daten zur pharmazeutischen Qualität (Modul 3), Daten aus präklinischen Studien (Modul 4) und die Daten aus klinischen Studien (Modul 5) sowie die entsprechenden Zusammenfassungen (Modul 2) vorzulegen. Modul 1 enthält administrative Informationen. Dazu gehören die Gebrauchs- und Fachinformationen und die Texte für die Kennzeichnung des Fertigarzneimittels und die Information über die zu vermarktenden Packungsgrößen. Eine zusammenfassende Beschreibung des Systems zur Arzneimittelsicherheit (Pharmakovigilanz-System) und, soweit zutreffend, des Risikomanagement-Systems, das der Antragsteller einführen möchte, sind ebenfalls Bestandteil der Zulassungsunterlagen. Darüber hinaus ist auch eine Umweltbewertung des Arzneimittels vorzunehmen.
Das Zulassungsdossier ist in einem einheitlichen Format, dem so genannten Common Technical Document (CTD) zu erstellen. Die Einreichung der Zulassungsunterlagen erfolgt elektronisch (eCTD).
Eine Zulassung wird erteilt, wenn für das Arzneimittel ein positives Nutzen-Risiko-Verhältnis vorliegt.
Man unterscheidet verschiedene Arten von Zulassungsanträgen.
Vollantrag
Ein Vollantrag besteht aus allen genannten Unterlagen des Zulassungsdossiers, die zur Bewertung des Nutzen-Risiko-Verhältnisses eines Arzneimittels vorgelegt werden.
Generische Zulassungsanträge
Ein Antragsteller kann unter bestimmten Voraussetzungen ein bereits zugelassenes Arzneimittel als Referenzarzneimittel bestimmen und auf Unterlagen dieses Arzneimittels Bezug nehmen. Das heißt, dass der Antragsteller auf die einer Behörde bereits vorliegenden Unterlagen des Referenzarzneimittels zu Ergebnissen von (prä-)klinischen Studien verweist und diese Daten nicht selbst erhoben hat. Für die Zulässigkeit eines solchen Antrages ist die Wahl des Referenzarzneimittels und der Nachweis der Vergleichbarkeit zum gewählten Referenzarzneimittel entscheidend.
Hybrid-Antrag
Unter bestimmten Voraussetzungen ist es neben der Bezugnahme auf Unterlagen eines Referenzarzneimittels zusätzlich erforderlich, bestimmte Ergebnisse aus eigenen (prä-)klinischen Studien vorzulegen. Die Einreichung solcher zusätzlicher Daten ist immer dann verpflichtend, wenn die wesentliche Vergleichbarkeit zum Referenzarzneimittel nicht belegt werden kann.
Bibliographische Zulassungen
Der Antragsteller kann auf die Vorlage von eigenen präklinischen und klinischen Daten verzichten, wenn er nachweisen kann, dass die Wirkstoffe des Arzneimittels seit mindestens zehn Jahren innerhalb der europäischen Gemeinschaft „allgemein medizinische Verwendung“ finden. Zudem müssen sie anerkannt wirksam und unbedenklich sein. Den Nachweis erbringt der Arzneimittel-Hersteller anhand einer ausführlichen wissenschaftlichen Bibliographie, die auf alle relevanten Ergebnisse aus (prä-)klinischen Studien eingeht.
Nationales Zulasungsverfahren
Ein nationales Verfahren ist durchzuführen, wenn das Arzneimittel ausschließlich in Deutschland oder in einem jeweiligen anderen Mitgliedstaat der EU vermarktet werden soll. Soll das Arzneimittel in mehreren Ländern des Europäischen Wirtschafsraumes zugelassen werden, sind die europäischen Zulassungsverfahren wie das Verfahren der gegenseitigen Anerkennung (Mutual Recognition Procedure (MRP), das dezentrale Zulassungsverfahren (Decentralised Procedure (DCP)) oder das zentrale Zulassungsverfahren (Centralised Procedure) anzuwenden.
Bei dem Verfahren der gegenseitigen Anerkennung und dem dezentralen Verfahren werden von den nationalen Behörden der im Verfahren beteiligten Staaten basierend auf einem Bewertungsbericht eines dieser Staaten (Reference Member State (RMS)) nationale Zulassungen in den am Verfahren beteiligten Staaten ausgestellt.
Zentrales Zulassungsverfahren
Beim zentralen Zulassungsverfahren wird auf Basis eines Bewertungsverfahrens bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) von der Europäischen Kommission eine Zulassung für den gesamten Europäischen Wirtschaftsraum erteilt. Das Zentrale Verfahren ist verpflichtend anzuwenden bei einigen biotechnologisch hergestellten Arzneimitteln, bei Arzneimitteln mit neuen Wirkstoffen in den Indikationen HIV/AIDS, Krebs, neurodegenerative Erkrankungen, Diabetes und bei Arzneimitteln für seltene Leiden (Orphan Drugs). Außerdem steht dieses Verfahren weiteren innovativen Arzneimitteln offen.
Für Arzneimittel des ungedeckten medizinischen Bedarfs stehen weitere regulatorische Programme bereit, die eine schnelle Zulassung dieser Arzneimittel ermöglichen.
Die Digitalisierung im Zulassungsbereich schreitet voran. Neben dem eCTD wird an der elektronischen Bereitstellung der Produktinformationen (ePI) gearbeitet. Erste Projekte sind bereits realisiert. Um einen zuverlässigen Austausch der Informationen zu Arzneimitteln zu ermöglichen, führt die EMA die ISO-IDMP-Standards für die Identifizierung von Arzneimitteln in einem schrittweisen Programm ein.