Meilensteine: 70 Jahre BPI

Meilensteine: 70 Jahre BPI

70 Jahre Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V.
Zum Jubiläum des BPI: Eine Zeitreise durch sieben Jahrzehnte Pharma-Geschichte im Spiegel des Zeitgeschehens

2021 war für den Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie ein Jubiläumsjahr: Seit mehr als 70 Jahren setzen wir uns dafür ein, dass Patientinnen und Patienten eine Vielfalt an hochwertigen Arzneimitteln zur Verfügung steht. Das Fundament hierfür: eine leistungsfähige Pharmaindustrie in Deutschland und Europa, für die wir uns stark machen. Blicken wir auf 70 Jahre BPI zurück, so erleben wir auch eine Zeitreise durch die Geschichte der Bundesrepublik – mit Glanzlichtern und Tiefpunkten, Erfolgen und Ereignissen von globaler Tragweite. Wir haben Ihnen hier einige Meilensteine aus 70 Jahren Pharma-Historie zusammengefasst.

1877 wird in Frankfurt der „Verein zur Wahrung der Interessen der chemischen Industrie“ (VzW) gegründet, in dem auch Pharmaunternehmen organisiert sind. Zwischen 1905 und 1908 gründen die deutschen Pharmaunter­nehmen ihren eigenen „Verband der chemisch-pharma­zeutischen Großindustrie e.V.“ (Cepha). Ihm gehören die zehn größten Hersteller an, darunter Bayer, Merck, Hoechst, Knoll, Boehringer Mannheim und Boehringer Ingelheim. 1907 gründen die Cepha-Mitglieder die „Zentralstelle für Marken­schutz“ (Zema).

Die mittelständischen und kleineren Unternehmen gründen hingegen 1907 den „Verband Pharmazeutischer Fabriken“ („Hamburger Verband“). Daneben existieren noch der „Zentralverband der Chemisch-Technischen Industrie, Abteilung Pharma“ sowie der „Verband der Diätetischen und Biologischen Mittel- und Kleinindustrie“, dem Firmen aus den Bereichen Phyto-Pharmazie, Homöopathie und Reformhauswaren angehören.

Die Nationalsozialisten lösen diese Verbände auf und organisieren die gesamte Branche 1935 in der „Fachgruppe Pharmazeutische Erzeugnisse“ innerhalb der Wirtschaftsgruppe Chemische Industrie.

 

Monatsschrift „Die Chemische Industrie"

Quelle: gemeinfrei

 

Quelle: gemeinfrei

Bald nach Kriegsende bemüht sich die pharmazeutische Industrie um die Neugründung ihrer Interessenvertretung. Zunächst schließen sich die Firmen auf Zonen- bzw. Landesebene zusammen. Im April 1948 gelingt dann die Gründung der „Arbeits­gemein­schaft der Verbände der pharmazeutischen Industrie des vereinigten Wirtschafts­gebietes“ des britischen und des amerikanischen Sektors (ohne West-Berlin) und im September 1948 schließen sich auch die Regionalverbände der französischen Zone an.

Am 23. Februar 1951 wird schließlich in Bad Homburg der „Bundesverband der Pharma­zeutischen Industrie e.V.“ gegründet. Erster Vorsitzender wird Dr. Karl Merck von der Merck AG in Darmstadt. Unterstützt wird er von Hauptgeschäftsführer Dr. Joachim Laar aus Frankfurt/Main. Der erste Sitz des BPI liegt nahe dem Frankfurter Hauptbahnhof.

Damit ist der BPI der älteste deutsche Pharmaverband und vertritt damals mit mehr als 600 Mitgliedsfirmen rund 95 Prozent der deutschen Arzneimittelproduktion für Human- und Veterinärmedizin.


Erster Vorsitzender: Dr. Karl Merck

Quelle: BPI

Eine der ersten Aktionen des BPI ist die Übernahme der „Roten Liste“. Dieses „Nach­schlage­werk aller in Deutschland zugelassenen Arzneimittel wurde seit 1933 als „Preisver­zeichnis deutscher pharmazeutischer Spezialpräparate“ durch die Vorgängerorganisation des BPI herausgegeben und seit 1949 von der „Arbeitsgemeinschaft Pharmazeutische Industrie“ veröffentlicht. 1951 übernimmt der BPI die Herausgabe. Seit 1995 wird die Liste gemeinsam vom BPI und dem Verband Forschender Arzneimittel (vfa) und ab 2006 durch das gemeinsame Unternehmen der beiden Pharmaverbände, die „Rote Liste Service GmbH“ mit Sitz in Frankfurt am Main, herausgeben.


"Rote Liste"

Quelle: Geschichtsbüro Reder. Eigene Darstellung.

Der BPI bemüht sich nach seiner Gründung sofort um ein bislang fehlendes Arzneimittel­gesetz. Da die Römischen Verträge der EWG ein nationales Arzneimittelrecht fordern, gründet die Bundesregierung 1961 (als letztes EWG-Land) ein Gesundheits­ministerium und verabschiedet im Mai 1961 das erste bundesdeutsche Arzneimittelgesetz (AMG). Der BPI ist maßgeblich an der Entstehung des Gesetzes beteiligt.

Um die deutschen Pharmahersteller nicht durch eine zeitaufwändige Prüfung im inter­nationalen Wettbewerb zu benachteiligen, sieht das AMG von 1961 zunächst allerdings lediglich eine Registrierung der Medikamente vor, aber keine Prüfung von Wirksamkeit und/oder Sicherheit. Lediglich für neue Arzneimittel werden eine ärztliche Prüfung und ab 1964 klinische Studien verlangt.

 

Elisabeth Schwarzhaupt, Gesundheitsministerin 1961-1966

Quelle: Shutterstock/zabanski

Der weltweite Skandal um das Schlafmittel „Contergan“, das bei tausenden von Neugeborenen schwere Fehlbildungen verursachte, bedeutet 1961 eine tiefe Zäsur für die deutsche Pharmabranche. Erstmals sehen sich die Hersteller einer misstrauischen Öffentlichkeit gegenüber, die mehr Transparenz und Verantwortungsbewusstsein fordert.

Der BPI gründet daraufhin mehrere Gremien, die schärfere interne Kontrollmechanismen ausarbeiten und durchsetzen sollen, darunter den „Medizinischen Ausschuss“ und den „Ausschuss zur Beurteilung von Wettbewerbsverstößen“. Zur Verbesserung der Außendarstellung wird zudem ein „Ausschuss für Öffentlichkeitsarbeit“ gegründet.

1969 beschließen die Mitgliedsunternehmen „Richtlinien für die wissenschaftliche Information und Arzneimittelwerbung“ und unterwerfen ihre Werbung damit einer strengen Selbstkontrolle. Außerdem sollen Informa­tionen über Nebenwirkungen fortan schneller an Ärzte und Apotheker weitergegeben werden. Dafür wird der „Rote-Hand-Brief“, der auch bis heute noch als Gebrauchsmuster im Eigentum des BPI stehend beim Bundesatentamt registriert ist, eingeführt. Markantes Markenzeichen der Briefe ist die erhobene Rote Hand mit der unmissverständlichen Warnung: „Stopp: Achtung!“


"Rote-Hand-Brief"

Quelle: BPI

Nach der Contergan-Katastrophe ergreift der BPI zahlreiche Initiativen zur Arzneimittel-sicherheit: 1975 verpflichtet er seine Mitglieder auf eine „Packungsbeilagen-Richtlinie“, die Warnhinweise zu möglichen Nebenwirkungen vorschreibt. Zur Information von Ärzten und Apothekern entwickelt der BPI ergänzend die „Gebrauchsinformation für Fachkreise“, ein verbindlich vorgegebenes Informationssystem speziell für das Fachpersonal. Diese „Fachinformationen“ finden später auch Eingang ins zweite Arznei-mittelgesetz.

1989/1990 hat der BPI eine maßgebliche Änderung für die Werbung von nicht-verschreibungspflichtigen Arzneimitteln in audiovisuellen Medien angestoßen und den berühmten Satz mitentwickelt: „Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Dieser Satz fand 1990 Eingang ins vierte Gesetz zur Änderung des Arzneimittelgesetzes mit dem auch das Heilmittelwerbegesetz geändert wurde. Exakt diese Formulierung ist nach dem Heilmittelwerbegesetz (1965, HWG) für die Information über Arzneimittel zur Selbstmedikation außerhalb der Fachkreise zwingend vorgeschrieben. Sie unterstreicht die Tatsache, dass es sich auch bei nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln um Waren besonderer Art und nicht um normale Konsumgüter handelt.


"Zu Risiken und Nebenwirkungen lesen Sie die Packungsbeilage und fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker."
 


Quelle: Geschichtsbüro Reder. Eigene Darstellung.

Der Contergan-Skandal macht offensichtlich, dass das Arzneimittelgesetz von 1961 dringend und tiefgreifend überarbeitet werden muss. Trotz entsprechender Initiativen Anfang der 1960er Jahre und diverser kleiner Änderungen dauert es allerdings bis 1976, bis der Bundestag das „Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts“ (Zweites Arznei­mittel­gesetz, AMG) verabschiedet. Der BPI begleitet mit seiner hohen Expertise, so in medizinisch-pharmazeutischen Fachgebieten aber auch in rechtlich-wirtschaftlichen Bereichen, kontinuierlich die Entstehung des zweiten AMG und erreichte durch Stellungnahmen und Gespräche der Ehren-und hauptamtlichen Verbandsvertreter viele konkrete Verbesserungen.

Für die Zulassung neuer Arznei­mittel muss nun erstmals deren Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit nachge­wiesen werden. Von den Betriebsstätten, über den Vertrieb bis zur Packungs­beilage gibt es nun genaue Verfahrens-Vorschriften. Besonders positiv sehen die BPI-Mitglieder die Verbesserung des Verbraucherschutzes und die für die Industrie dennoch „sachgerechte und praktika­ble“ Ausgestaltung des Gesetzes.

Bereits zu diesem Zeitpunkt (1981) verpflichten sich außerdem die Mitgliedsfirmen, einen "qualifizierten Mitarbeiter für die Erfassung und Weitergabe von Nebenwirkungen“ zu bestellen (§ 9 Abs. 4 der Selbstverpflichtung „BPI-Kodex"). Diese Verpflichtung stellt somit einen Vorläufer des Stufenplanbeauftragten (nach § 63 a AMG) dar. Zur Beobachtung, Sammlung und Bewertung von Arzneimittelrisiken etabliert das AMG daraufhin ein „Stufenplanverfahren“. Der BPI bemüht sich dabei intensiv um die Koordination seiner Mitgliedsfirmen, die sich 1981 zur Benennung von Stufenplanbeauftragten verpflichten, die alle Aktivitäten zur Arzneimittelsicherheit im Unternehmen  koordinieren und verantworten.


„Gesetz zur Neuordnung des Arzneimittelrechts“ im Bundesgesetzblatt
 


 

Quelle: Geschichtsbüro Reder. Eigene Darstellung.

Die öffentlichen Debatten um Arzneimittelsicherheit, Arzneimittelkosten und Arzneimittelausgaben fördern einen Modernisierungsprozess im Selbstverständnis des BPI. Im Mai 1981 beschließen die Mitglieder daher neue „Grundsätze und Ziele des BPI“: Gegenüber Veränderungen von außen will der BPI nicht in einer defensiven Abwehrhaltung verharren, sondern selbst proaktiv wirken. Nur in einer echten transparenten Partnerschaft mit der Öffentlichkeit könne man nachhaltig erfolgreich sein. Dazu soll auch die Öffentlichkeitsarbeit des Verbands noch besser und professioneller werden.  

Im November 1981 verabschiedet die Hauptversammlung einen neuen „Kodex der Mitglieder des BPI“, der vor allem übertriebene Werbung für verschreibungspflichtige Arzneimittelverhindern soll, die nun klar von sachlichen Informationen unterschieden wird.  Der Kodex ist noch heute in abgewandelter Form als „AKG-Verhaltenskodex“ gültig (s. 2007).


BPI-Hauptversammlung 1981

Quelle: BPI

Während unzählige Unternehmen in der ehemaligen DDR nach der Wiedervereinigung in größte Schwierigkeiten geraten oder untergehen, meistern die 14 ostdeutschen Pharma­firmen, die mit ihren 16.300 Mitarbeitern seit 1979 im Kombinat „GERMED Dresden“ zusammengefasst sind, den Übergang von der Plan- auf die Marktwirtschaft bemerkens­wert gut. Die Mehr­zahl der Betriebe kann ihre Marktanteile halten und exportiert – dank der früher verein­barten Arbeitsteilung – zudem weiterhin in die Staaten des ehemaligen Ostblocks. Daher können die meisten Firmen wirtschaftlich erfolgreich weiterbetrieben werden oder finden bei der Privatisierung durch die Treuhand vergleichsweise leicht einen Käufer.

Bereits im April 1990 vereinbart der BPI mit dem erst am 16. März 1990 gegründeten „Verband der Deutschen Pharmaindustrie e.V.“ (VDPI) „Leitlinie zur Arzneimittel­versorgung in der DDR in Vorbereitung eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes“: Bis Ende 1992 soll die „Grundversorgung der DDR-Bevölkerung“ durch die Pharmaindustrie der DDR geleistet werden. Nur Medikamente, die dort nicht verfügbar sind, werden aus der Bundesrepublik geliefert. Aber bereits im Juni wird das Arzneimittelsortiment der DDR schrittweise dem der BRD angeglichen. Der Pharmaverband der DDR geht im BPI auf.


Arzneimittel aus der DDR

Quelle: DDR Museum Berlin

Seit Gründung des BPI gab es bisweilen Konflikte zwischen den häufig auf dem heimischen Markt fokussierten kleineren und mittel­ständi­schen Mitgliedsunternehmen und den multinationalen Pharmakonzernen, die ihre Interessen vom BPI zunehmend weniger repräsentiert sehen. Der Konflikt führt 1993 zur Spaltung des Verbandes: Als die Umwandlung in einen Dachverband mit weitgehend selbst­ständigen Fachverbänden scheitert, treten 113 der 464 Unternehmen aus dem BPI aus. Darunter sind die großen Generika-Hersteller, aber vor allem die großen forschenden pharmazeutische Unternehmen. Die 25 größten von ihnen gründen den „Verband for­schen­der Arznei­mittel­hersteller“ (vfa). Hatte der BPI zuvor rund 95 Prozent des Umsatzes der Pharmaindustrie in Deutschland repräsentiert, erwirtschaften die verbliebenen rund 350 Mittelständler nun nur noch knapp die Hälfte des ursprünglichen Umsatzes und erbringen durch eine Deckelung des Höchstmitgliedsbeitrages ein Drittel der BPI-Beitragseinnahmen. 

Um den Verband neu und schlanker aufzustellen, übernimmt Hauptgeschäftsführer Prof. Dr. Hans-Rüdiger Vogel 1994 auch den Vorstandsvorsitz. Er prägt den Verband maßgeb­lich bis 2000. Der BPI positioniert sich jetzt neu als mittel­ständisch geprägter Verband, dessen Mitglieder nicht nur eine große Vielfalt bewährter Präparate produzieren und vermarkten, sondern auch kleinere Indikationsgebiete und Nischenprodukte. Der Verband hat zwar politisches Gewicht verloren, aber an Kohärenz und Handlungsfähigkeit gewonnen. Im Zentrum der Verbandsarbeit stehen nun die Sicherung der Therapievielfalt sowie eine noch stärkere Ausrichtung auf den Patienten und ein besseres Verhältnis zu den Krankenkassen. Zudem wird beschlossen, die enge Begrenzung der Zahl der Ausschussmitglieder zunächst zu erweitern. Wegen des hohen Zuspruchs zur ehrenamtlichen Mitarbeit im Verband wird die Begrenzung zu einem späteren Zeitpunkt ganz aufgehoben. Dies trägt auch maßgeblich dazu bei, die Probleme der Firmen klarer erkennen und somit besser in die Verbandsarbeit einbeziehen zu können.


Dr. med. Hans-Rüdiger Vogel

Quelle: BPI

1995 erringt der BPI einen bedeutenden Erfolg: Nachdem er seit 1992 die Gesundheitspolitiker hartnäckig auf die Mängel und negativen Folgen einer „Positivliste“ für erstattungsfähige Arzneimittel hingewiesen hat, stoppen Bundestag und Bundesrat endlich das im Gesundheitsstrukturgesetz vorgesehene Projekt. Der BPI hatte erfolgreich deutlich gemacht, dass eine auf wenige hundert Wirkstoffe reduzierte „Positivliste“ die Entscheidungsfreiheit der Ärzte beeinträchtigen und so die Patientenversorgung verschlechtern würde, ohne damit zur Kostensenkung oder zur Qualitätssicherung beizutragen. Dieser größte Erfolg des BPI in den 1990er Jahren beweist, wie wichtig und effektiv auch der kleinere BPI für seine Mitglieder und das deutsche Gesundheitssystem ist.


Horst Seehofer, Gesundheisminister von 1992 bis 1998

Quelle: Shutterstock/360b

1999 entscheidet sich der BPI, seinen Sitz von Frankfurt am Main in die Bundeshauptstadt Berlin zu verlegen, um näher an den politischen Entscheidungs-prozessen zu sein.
Als erste Abteilung nimmt die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit einige Monate interimistisch in den Räumlichkeiten des VCI Landesverbandes Nord-Ost am Berliner Ernst Reuther Platz die Arbeit auf, weitere Abteilungen folgen in den kommenden Jahren aus Frankfurt nach.

Von 2002 bis 2006 verlagert der BPI seinen Standort zum Robert-Koch-Platz 4 in Berlin. 2006 bezieht der gesamte Verband neue Räume in der Berliner Friedrichstraße 148.


BPI-Geschäftsstelle in der Berliner Friedrichstraße 148

Quelle: Senatsverwaltung für Stadtentwicklung und Wohnen/Inge Johanna Bergner

Im Jahre 2000 wird Dr. Bernd Wegener neuer BPI-Vorsitzender. Ende 2000 verabschiedet der Verband sein neues Grundsatzprogramm „Leben ist Vielfalt – Leben braucht Vielfalt“, neue Leitlinien und ein neues Corporate Design. Zentrales Thema ist u.a. eine vielfältige und qualitativ hoch­wertige Arzneimittelversorgung. Die Pharma­industrie soll gestärkt und die internationale Rolle des Standortes Deutschland gefördert werden. Zudem will der BPI künftig als kompetenter, transparenter und dialog­bereiter Partner von Öffentlichkeit, Heilberufen, Politik und Verwaltung wahrgenommen werden.

2002 wird Dipl.-Kfm. Henning Fahrenkamp Hauptgeschäftsführer. Wegener und Fahren­kamp prägen gemeinsam viele Jahre (bis 2014 bzw. 2018) die Entwicklung des BPI. Sie moderieren den Umzug nach Berlin, erneuern den Verband nach innen und außen und geben ihm wieder ein klares politisches Profil und eine starke Stimme, die in Berlin gehört wird. Der BPI ist der Unternehmerverband der pharmazeutischen Industrie. Bald gibt es keine gesundheitspolitische Anhörung mehr, zu der der BPI nicht eingeladen wird. Die Mitglieder­zahlen steigen wieder, sodass der Verband im Jahr 2018 rund 250 Firmen mit mehr als 70.000 Mitarbeiter/innen repräsentiert, die von einem umfangreichen Service und vielfältigen Kommunikations­kanälen profitieren.

Mitarbeiter des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie engagieren sich in hohem Maß mit ihrer Expertise in den Gremien des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und des Verbandes der chemischen Industrie (VCI), um auch in diesen wichtigen Verbänden die Interessen seiner Mitgliedsunternehmen zu vertreten.
 

Henning Fahrenkamp

Quelle: BPI

Der BPI gründet 2007 den Verein „Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen“ (AKG), der als freiwillige Selbstkontrolle Korruption und unlautere Werbung verhindern soll. 128 BPI-Mitglieder, die zuvor dem Verein „Freiwillige Selbstkontrolle für die Arznei­mittel­­industrie e.V.“ (FSA) beigetreten waren, wechseln zum AKG.  Erster Vorstandsvor­sitzender wird Dr. med. Sigurd Pütter (Medice).

Die Mitgliedschaft in einem Selbstkontrollorgan (AKG oder FSA) ist für BPI Mitgliedsunternehmen mit verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Programm verpflichtend. Zwei Unternehmen weigern sich, eine solche Mitgliedschaft zu begründen und werden daher konsequent aus dem Bundesverband ausgeschlossen.

Oberstes Ziel des Vereins mit heute 135 Mitgliedern ist „Prävention vor Sanktion“: Statt (wie der FSA) erst auf Rechtsverstöße zu reagieren (und dann sehr hart), hilft der Verein seinen Mitgliedern präventiv bei der Vermeidung irreführender Informationen oder unrechtmäßiger Marketingaktionen und bei einem transparenten und fairen Unter­nehmens­verhalten.  Gerade kleinere Firmen, die keine eigene Rechtsabteilung haben, sind auf Information und Hilfe angewiesen, statt mit harten Strafen bedroht zu werden. Verstöße gegen den AKG-Verhaltenskodex landen zunächst vor einer Schlichtungs- und Schiedsstelle und können dann in Sanktionen münden.  Der AKG löst den alten „Kodex“ des BPI ab (s. 1981). 2020 ist der AKG die mitgliederstärkste Organisation der freiwilligen Selbstkontrolle im Pharma-Bereich.


Henning Fahrenkamp, Dr. Sigurd Pütter, Kai Christian Bleicken

V.l.n.r. Henning Fahrenkamp, Dr. Sigurd Pütter, Kai Christian Bleicken

Quelle: Arzneimittel und Kooperation im Gesundheitswesen e.V. (AKG e.V.)

Auch auf europäischer Ebene geht der BPI neue Wege: Bereits 1978 gründete er mit anderendie „European Federation of Pharmaceutical Industries and Associations“ (EFPIA), den europäischen Verband der Pharmaverbände. Als die EFPIA allerdings um 2000 auch Großkonzerne als vollwertige Mitglieder aufnimmt, verschiebt sich seine Ausrichtung zu Lasten der mittelständischen Mitglieder des BPI. 

Konsequent verlässt der BPI 2008 die EFPIA und gründet als erster deutscher Pharmaverband eine eigene Repräsentanz in Brüssel.  Denn hier fallen künftig immer mehr wichtige Entscheidungen. Um auch den mittelständischen Pharmaunternehmen wieder eine starke Stimme zu geben, gründet der BPI mit anderen europäischen Verbänden und pharmazeutischen Unternehmen Ende 2008 die „European Confederation of Pharmaceutical Entrepreneurs“ (EUCOPE). 90% der Arzneimittel herstellenden Unternehmen in Deutschland beschäftigen weniger als 500 Mitarbeiter. Die Pharmazeutische Industrie ist jedoch nicht nur in Deutschland mittelständisch geprägt, sondern auch in anderen europäischen Ländern.
 

Sitz in Brüssel: BPI eröffnet Büro

Quelle: Shutterstock/areporter

2012 wird erstmals von Engpässen bei der Arzneimittelversorgung in Deutschland berichtet. Bereits 2014 macht der BPI in einer Stellungnahme auf den Zusammenhang zwischen Lieferengpässen und den Rabattverträgen der Krankenkassen aufmerksam: Die Erstattungsbeträge der Kassen sind mittlerweile so gering, dass eine Arzneimittelproduktion in Deutschland vielfach nicht mehr wirtschaftlich ist, sodass sie nach China oder Indien verlegt wird. Der BPI (seit Juni 2014 unter dem Vorsitz von Dr. med. Martin Zentgraf) fordert, dass die Kassen bei ihren Rabattverträgen auch an die Versorgungssicherheit durch mehrere Hersteller zu denken haben, statt Oligopole zu fördern.

Zudem gibt der BPI mit der Kommunikationskampagne „Wir wirken“ Einblicke in die Pharmabranche, lässt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Mitgliedsunternehmen zu Wort kommen und zeigt so „die Menschen hinter den Medikamenten“.

Politisch bleibt besonders ein Thema auf der Agenda: Als sich die Lieferengpässe 2019 zu einem echten Problem ausweiten, weist der BPI in einem Gutachten nach, dass die seit zehn Jahren praktizierten Arzneimittel-Rabatt­verträge eine zentrale Ursache von Marktkonzentration und Lieferengpässen sind. Der seit 2019 fungierende Hauptgeschäftsführer Dr. med. Kai Joachimsen: „Die Rabattverträge sind … für die Arzneimittel­versorgung in Deutschland ein zentrales Problem, das auch noch politisch hausgemacht ist. Das ist breiter Konsens im Gesundheitswesen und wird von der AOK einfach ignoriert.“ Der Markt für bestimmte Wirkstoffe wird inzwischen nur noch von wenigen oder gar einem Unternehmen beherrscht. Der BPI fordert, dass die Krankenkassen Rabattvertragszu­schläge stets an mindestens drei pharmazeutische Unternehmer erteilen, um einen Teil der Wirkstoffproduktion wieder zurück nach Europa zu verlagern. Allerdings ändert sich zunächst nichts. Erst die Corona-Krise von 2020 führt zu einem Umdenken.


BPI-Hautpgeschäftsführer Dr. med. Kai Joachimsen 

Quelle: BPI/Kruppa

Dr. med. Martin Zentgraf

Quelle: BPI

Auf der wegen der Covid-19-Pandemie ersten digitalen Hauptversammlung wird Ende 2020 Dr. Hans-Georg Feldmeier zum neuen Vorsitzenden gewählt. Die Corona-Krise stellt die Pharmaindustrie und ihre Verbände 2020/21 vor enorme Her­aus­­forderungen. In enger Abstimmung mit Bundesregierung und Länderchefs unter­stützt der BPI mit seinen Mit­glie­dern den Kampf gegen die Pandemie, indem Netzwerke und Produktions­kapazitäten ausgebaut werden. Der BPI macht zudem die Öffentlichkeit auf die enorme Leistung der Pharmaindustrie aufmerksam, die innerhalb weniger Monate hochwirksame Impfstoffe entwickelt und zur Marktreife gebracht hat. Zudem bemüht sich der BPI, seine Mitglieder vor überzogenen staatlichen Maßnahmen und den schäd­lichsten Auswirkungen der Pandemie-bedingten Regeln (wie Werks­schließungen und Reisebeschränkungen) zu schützen.

Daneben engagiert sich der BPI dafür, trotz weltweit unterbrochener Handelsströme, die Arznei­mittel­versorgung auch für chronische und akute Patienten mit anderen Krankheiten sowie die Selbstmedikation aufrecht zu erhalten.

 

Dr. Hans-Georg Feldmeier



Quelle: BPI

Heute ist der BPI die schlagkräftige Interessenvertretung von 270 Mitgliedsfirmen der pharmazeutischen Industrie mit 78.000 Mitarbeitern. Der Verband orientiert sich an Zukunftsthemen und hilft, den Pharma-Standort Deutschland mit seinen erfolgreichen Unternehmen, qualifizierten Mitarbeitern, hoher Produktivität, innovativen Produkten und guten Arbeitsbedingungen in einer globalisierten Welt langfristig zu sichern und zudem unabhängiger von ausländischen Lieferanten von Fertigprodukten und pharmazeutischen Wirkstoffen zu werden. So sollen Lieferengpässe vermieden und die Versorgung Deutschlands mit hochwertigen Medikamenten auch künftig gesichert werden.

Um das zu erreichen, engagiert sich der BPI mit Nachdruck gegenüber Politik, externen Stakeholdern und Öffentlichkeit für eine Standortpolitik, die Arbeitsplätze sichert, Arzneimittel-Innovationen vorantreibt und zukunftsfähige Verbesserungen der Gesundheitsversorgung nachhaltig sicherstellt.

Weitere wichtige Themen:

  • Umweltschutz: Der BPI bemüht sich um mehr Umweltschutz durch die richtige Entsorgung von Arzneimitteln und die Minderung des Spurenstoffeintrags in Wasser.
  • Digitalisierung: Der BPI treibt die Digitalisierung der Pharmabranche voran und hat dazu einen eigenen Geschäftsbereich gegründet.
  • Arzneimittelsicherheit: Der BPI setzt sich für die weitere Erhöhung der Arzneimittelsicherheit ein.
  • Arzneimittelpreise: Der BPI wirbt um mehr Sachlichkeit in der Debatte um die (seit Jahren konstanten) Arzneimittelpreise und in Relation zum Bruttoinlandsprodukt konstanten Arzneimittelausgaben zu Lasten der Solidargemeinschaft.
  • Selbstmedikation: Der BPI fördert die Selbstmedikation als wichtigen Bestandteil der Gesundheitsversorgung.
  • Forschungsförderung: Der BPI erreichte, dass seit 2020 sich alle in F&E tätigen Unternehmen 25 Prozent ihrer F&E-Personalkosten vom Bund erstatten lassen können.
  • Zulassung: Der BPI bringt sich seit vielen Jahren in die Gestaltung angemessener Anforderungen an die Zulassung von Arzneimitteln auf nationaler (BfArM und PEI) und europäischer Ebene (EMA) ein. 

Der BPI ist überzeugt, dass das Gesundheitswesen nicht nur unter Kostengesichts­punkten betrachtet werden darf, sondern sich vor allem am Wohl der Patienten orientieren muss. Der Verband leistet daher mit seinen Mitgliedsunternehmen einen wichtigen Beitrag zu einer bezahlbaren und hochwertigen Gesundheitsversorgung der Menschen in unserem Land, Europa und der Welt.
 

Ausblick auf die Zeit nach Corona

Quelle: Shutterstock/eamesBot