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BPI kritisiert „Tunnelblick“ im neuen Arzneimittelgesetz

Eine einseitige Fixierung der Politik auf die konventionellen Arzneimittel diagnostiziert Henning Fahrenkamp, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI), anlässlich der heutigen Bundestagsanhörung zur 14. Novelle des Arzneimittelgesetzes (AMG). Die Anpassung des Arzneimittelrechts an die europäische Gesetzgebung, die mit dieser 14. AMG-Novelle geleistet werde, sei zwar in weiten Teilen zu begrüßen, da sie den deutschen Herstellern den Zugang zum europäischen Markt leichter mache und diesbezüglich Einheitlichkeit schaffe. Gerade in den Bereichen, wo Deutschland nach wie vor international führend sei, würden jedoch mit dem Gesetz innovationsfeindliche Barrieren künstlich aufgebaut oder bewährte Standards herabgesetzt. „Ich hätte mir hier mehr Mut und ein breiteres Blickfeld des Gesetzgebers gewünscht, denn Harmonisierung darf nicht heißen, dass wir in einzelnen Segmenten Spitzenpositionen preisgeben“, so Fahrenkamp.

Gravierende Probleme sieht Fahrenkamp vor allem auf dem vergleichsweise neuen Feld des Tissue Engineering, also der regenerativen Reproduktion körpereigener Substanzen wie beispielsweise Knorpelersatz zur Arthrose-Therapie oder Haut-„Züchtung“ zur Behandlung schwerstverbrannter Patienten. Es sei „ein Unding,“ so Fahrenkamp, dass der Gesetzgeber hier den behandelnden Arzt, der dem Patienten notwendiges Gewebe entnimmt, züchtet und wieder implantiert, eine Herstellungserlaubnis wie für einen pharmazeutischen Hersteller abverlangt. „Das ist ungefähr so, als ob Sie von einem transplantierenden Chirurgen eine Import-Export-Zertifizierung der IHK einforderten.“ Der Aufwand, der mit dieser vollkommen unsachgemäßen Forderung verbunden sei, läge für jede medizinisch-therapeutische Einrichtung weit außerhalb des Leistbaren und werde dazu führen, dass diese hochinnovative therapeutische Technik künftig kaum noch in Deutschland angewandt und weiterentwickelt werden könnte. Auch bei der Zulassungspflichtigkeit dieser Tissue Engineering-Produkte sei der Gesetzgeber weit über das Ziel hinaus geschossen, indem hier bereits jetzt Sachverhalte geregelt würden, die sich gegenwärtig auf europäischer Ebene noch im Verhandlungsprozess befinden. „Wir fürchten sehr, dass durch die deutsche Gesetzgebung ein Präjudiz geschaffen wird, das einer forschungsorientierten, innovativen Weiterentwicklung dieser revolutionären therapeutischen Behandlungsmöglichkeiten künftig massiv im Wege steht“, so Fahrenkamp. Im Bereich der Besonderen Therapierichtungen wie Homöopathie und Anthroposophie werde dagegen leichtfertig Wissens-, Forschungs- und Erfahrungsvorsprung aufs Spiel gesetzt. Vor allem müsse der Fortbestand dieser Therapierichtungen durch eindeutige Übergangsregelungen und eine den anderen Arzneimitteln angepasste präzise Fristensetzung gesichert bleiben. „Wir brauchen hier angemessene Regelungen, die gewährleisten, dass Deutschland seine wissenschaftlich und wirtschaftlich führende Rolle auf diesem Feld auch innerhalb der europäischen Region den Patienten zur Verfügung stellen kann.“ Hierbei gehe es nicht um einen gewünschten Sonderstatus homöopatischer und anthroposophischer Produkte, sondern gerade um eine europaweit angemessene Gleichbehandlung unter besonderer Berücksichtigung der Besonderheiten dieser Arzneimittel innerhalb der gesamten pharmazeutischen Palette. „Ich habe den Eindruck, die Politik hat sich bei der Formulierung der 14. AMG-Novelle vor allem auf den Mainstream der pharmazeutischen Produktpalette konzentriert,“ so Fahrenkamp abschließend, „das weitflächige Potential der deutschen Pharmabranche gerät aber durch diesen Tunnelblick zu großen Teilen aus dem Blickfeld. Gerade diese Potentiale müssen aber bei der Gesetzgebung Berücksichtigung finden, um die therapeutische Vielfalt zu erhalten.“