Umwelt
Wirksame Arzneimittel haben den Patienten im Fokus und die Umwelt im Blick.
Im Jahr 2021 wurden acht Prozent der deutschen Flüsse und Bäche mit einem „guten“ oder „sehr guten“ ökologischen Zustand bewertet. Der Großteil (71,2 %) der Flüsse und Bäche in Deutschland ist in einem mäßigen oder unbefriedigenden Zustand. Dies stellt einen leichten Anstieg gegenüber den vergangenen Jahren dar.
Im Wasser befinden sich verschiedenste Spurenstoffe, also Stoffe in sehr geringer Konzentration. Spurenstoffe stammen aus unterschiedlichsten Bereichen – angefangen bei Duschpflegeprodukten über Waschmittel bis hin zu Arzneimitteln und Bioziden. Immer bessere Analyseverfahren machen Spurenstoffe im Wasser sichtbar. Spurenstoffe aus Arzneimitteln sind nicht ungefährlich, aber selten. Selbst wenn man sein Leben lang Leitungswasser tränke, käme man rechnerisch im Laufe von etwa 70 Jahren nur auf eine Menge, die einer „Tagesdosis" der meisten Medikamente entspräche.
2021 wurden mehr als mehr als 40 verschiedene pharmazeutische Wirkstoffe in einer Konzentration über 0,1 µg/l in Oberflächengewässern gemessen.
Aber 80 bis 95 Prozent der Arzneimittel-Rückstände gelangen durch Ausscheidungen der Menschen ins Wasser und sind somit schwer bis gar nicht vermeidbar.
Die bisherige flächendeckende Abwasserbehandlung in Deutschland (3. Reinigungsstufe) eliminiert einen Großteil der Mikroverunreinigungen, aber stößt an ihre Grenzen, wenn es um sehr gut wasserlösliche und schwer biologisch abbaubare Stoffe geht. Dafür wird die sogenannte 4. Reinigungsstufe benötigt. Schätzungen zufolge wird der flächendeckende Ausbau der Kläranlagen auf eine 4. Reinigungsstufe in Deutschland in den nächsten 30 Jahren sich auf bis zu 36 Mrd. € belaufen. Der Betrieb dieser (dann ab dem Jahr 2040) wird mit 4 Mrd. € jährlich angenommen.
Für Arzneimittel beim Menschen besteht die Vorgabe, die Umweltverträglichkeit im Rahmen der Zulassung zu prüfen. Die Daten zur Bewertung möglicher Umweltrisiken dienen dazu, bei potentiellen Gefährdungen Vorsichtsmaßnahmen und Entsorgungshinweise in die Produktinformation aufzunehmen. Diese Vorgaben zum sogenannten Environmental Risk Assesment (ERA) sollen nach dem im April 2023 neu veröffentlichen Pharma-Package stark ausgeweitet werden. Zum einen soll der Anwendungsbereich erweitert werden, der gesamte Lebenszyklus eines Arzneimittels soll betrachtet werden, zum anderen soll für alle vor dem Oktober 2005 zugelassenen Arzneimittel ein nachträglicher ERA angefertigt werden. Die Genehmigung für das Inverkehrbringen soll aufgrund eines Umweltrisikos auch zurückgenommen werden können, wenn die Umweltbewertung unzureichend ist oder Risiken auftreten, die nicht vom Antragsteller adressiert wurden.
National arbeitet das neu gegründete Spurenstoffzentrum des Bundes an neuen Runden Tischen der Herstellerverantwortung, um Maßnahmen gemeinsam mit den Herstellern zu entwickeln, die den Eintrag von Spurenstoffen an der Quelle reduzieren.
Der oft diskutierte Begriff der Erweiterten Herstellerverantwortung soll nun erstmals rechtlich verankert werden. Mit der Revision der EU-Kommunalabwasserrichtlinie soll so ein neues System eingerichtet werden. Die EU-Kommission beruft sich dabei auf das Verursacherprinzip und argumentiert, dass so Anreize für Innovationen im Bereich schadstofffreier Produkte geschaffen werden sollen. So sieht der Entwurf vor, dass in der Europäischen Union künftig die Hersteller von Humanarzneimitteln und Kosmetika für die Beseitigung von giftigen Mikroschadstoffen in Abwässern aufkommen sollen.
Die Hersteller sollen laut Entwurf ihre Erweiterte Herstellerverantwortung kollektiv wahrnehmen, indem sie sich einer Organisation für Erweiterte Herstellerverantwortung anschließen. Jeder Mitgliedstaat stellt hiernach sicher, dass für die in Anhang III gelisteten Produkte ein System entsprechend der Abfallrahmenrichtlinie eingerichtet wird. Importeure und Hersteller wären so finanziell für die Behandlung der durch ihre Produkte verursachten Verschmutzungen verantwortlich. Die Mitgliedstaaten sollen sicherstellen, dass die Hersteller die vollen Kosten für die Erfüllung der Anforderungen, einschließlich der Kosten für die Überwachung und für die Berichterstattung tragen. Diese finanzielle Beteiligung wird auf der Grundlage der Mengen und der Toxizität der in Verkehr gebrachten Produkte festgelegt.
Wie kommen Arzneimittel in die Umwelt?
80 bis 95 Prozent durch die Toilette: Wirkstoffe von Arzneimitteln wandern durch den Körper, bekämpfen dort die Krankheit und werden dann in Resten unverändert ausgeschieden. Viele Patienten kippen zudem ihre Medikamente in den Ausguss oder die Toilette – wo sie nicht hingehören!
Welche Arzneimittel sind in der Umwelt zu finden?
Neue und genaue Analyseverfahren haben Spuren von unter anderem Östrogenen, jodierten Röntgenkontrastmitteln, Blutdrucksenkern, Schmerzmittel, Antibiotika und Betablockern gefunden.
Wie gefährlich sind Arzneimittel etwa im Wasser?
Die Spuren der aufgefundenen Arzneimittel waren weit unterhalb der therapeutischen Dosis. Dass das Trinken von Wasser bei dieser extrem geringen Konzentrationen gesundheitsschädlich sein könnte, ist daher eher unwahrscheinlich. Ein Erwachsener müsste eine Milliarde Liter Rheinwasser trinken, um die Wirkung einer Aspirin-Tablette zu erreichen.
Was kann jeder einzelne tun, damit Arzneimittel möglichst nicht in die Umwelt gelangen?
- Arzneimittel nur dann einsetzen, wenn sie wirklich gebraucht werden.
- Arzneimittel richtig, wie es in der Packungsbeilage beschrieben steht, anwenden. Bevor man zum Beispiel eine Salbe anwendet, lohnt es sich kurz nachzudenken, was man in den nächsten 15 Minuten danach tun möchte. Stehen Duschen oder Baden auf dem Plan, sollten Sie lieber kurz warten und erst danach cremen. Sonst ist die Creme noch nicht vollständig eingezogen und der Wirkstoff wird abgewaschen. Es empfiehlt sich ebenfalls, die Hände, mit denen man die Creme aufgetragen hat, bevor man sie wäscht, mit einem Tuch abzuwischen. Dabei sollten zunächst die Handinnenfläche, dann der Handrücken, Daumen und Fingerzwischenräume gereinigt werden. Vor jedem Wechsel der zu reinigenden Hautpartie sollte das Tuch in der Mitte gefaltet und anschließend im Restmüll entsorgt werden.
- Arzneimittel richtig entsorgen. Medikamente dürfen auf keinen Fall in der Toilette oder Spüle entsorgt werden, da sie so die Umwelt belasten können. Abgelaufene oder übrig gebliebenen Medikamente entsorgen Sie einfach im normalen Hausmüll. Das ist sicher und simpel. Eine weitere Möglichkeit besteht darin, alte Medikamente zur Schadstoffsammelstelle der örtlichen Müllabfuhr zu bringen. Informationen hierzu finden Sie auf www.arzneimittelentsorgung.de.
Nun, es ist kompliziert.
Die nationale Pilotphase zur „Spurenstoffstrategie des Bundes“ wurde 2021 abgeschlossen und zur Verstetigung in die Hände des Spurenstoffzentrum des Bundes überführt. Genauso die Nationale Wasserstrategie, die dieses Jahr (2023) von der Bundesregierung beschlossen wurde. Beide betonen die Wichtigkeit der Erweiterten Herstellerverantwortung und möchten zukünftig die Verursacher von Verschmutzung für dessen Beseitigung bezahlen lassen.
Europäisch erleben wir eine stetige Flut überarbeiteter und meist verschärfter Regularien, die die verschiedensten Bereiche eines industriellen Betriebes betreffen. Gleichzeitig nehmen die öffentlichen Diskussionen um besonders „kritisch“ gesehene aber industriell essenzielle Stoffe zu. Beispielsweise sei hier die Diskussion um Titandioxid und aktuell die Diskussion um das Verbot von Per- und Polyfluorierten Alkylsubstanzen (PFAS) genannt.
Die Politik konterkariert sich mit ihren eigenen verschiedenen Vorhaben. Man möchte den Produktionsstandort Europa oder auch Deutschland stärken, man möchte Forschung und Innovation fördern und gleichzeitig wird die Industrie in einem immer größer werdenden Bürokratieaufwand regelrecht erstickt, essenziele Stoffe der Produktion sollen verboten werden, ohne das Alternativen in Aussicht, geschweige denn bereitstehen. Es bildet sich eine gefühlte Schere zwischen dem berechtigten Schutz der Umwelt und der Versorgungssicherheit und damit der Gesundheit der Patientinnen und Patienten. Und die Frage wird laut:“ Was ist eigentlich wichtiger?“
Und der BPI antwortet: „Wir benötigen beides.“ Wir verstehen, dass unsere Verantwortung über die Entwicklung von Arzneimitteln hinausgeht – sie erstreckt sich auf Umweltauswirkungen, soziale Verantwortung und langfristige Gesundheitssysteme. Wir begreifen Umweltschutz oder allgemeiner Nachhaltigkeit nicht nur als ein ethisches Gebot, sondern auch als Chance, unsere Innovationskraft zu stärken und langfristige Wertschöpfung für Patientinnen und Patienten, unsere Gesellschaft und die Umwelt zu schaffen.
Die BPI Mitgliedsunternehmen gehen daher andere Wege und forschen und entwickeln
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bewährte Wirkstoffe weiter, damit sie gezielter wirken. Neue Darreichungsformen, wie etwa Retardkapsel oder Wirkstoffpflaster, tragen dazu bei.
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innovative Medikamente, die die Krankheit genau dort bekämpfen, wo sie Schaden anrichtet. Die sogenannte personalisierte Medizin ist auf den Patienten passgenau zugeschnitten und zielt effektiver gegen eine Krankheit.
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neue Medikamente in Kulturen von Mikroorganismen (z. B. Bakterien oder Hefepilzen) oder in Säugetierzellen (z. B. Chinesische Hamsterzellen). Diese sogenannten Biopharmazeutika enthalten Protein-basierte Wirkstoffe und sind von der Umwelt gut abbaubar.
Der Schutz der Umwelt ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Die pharmazeutische Industrie trägt hier ihre Verantwortung. Der BPI macht sich deshalb in einer Vielzahl von Initiativen für die Minderung des Spurenstoffeintrags stark.
Einige pharmazeutische Unternehmen setzen bereits mit starkem Engagement die Themen Nachhaltigkeit, Klimaschutz und Ressourceneffizienz in ihrer täglichen Arbeit um. Es gibt vielfältige Maßnahmen, wie ein Unternehmen das Thema Nachhaltigkeit verstärkt aufgreifen kann. Wir haben ein paar einfache, konstruktive und auch ökonomische Beispiele zusammengestellt.
Experten-Tipps
Gebäudeenergie
Wärmeeffizienz
- Einbau von modernen Isolierglasfenstern; Dachbegrünung als nachhaltige Dämmung
Stromeffizienz
- Verwendung von Tageslicht durch Tageslichtlenkung in den Gebäuden; Modernisierung der Kühlschränke; Bewegungsmelder zur Beleuchtungsschaltung
Erneuerbare Energien im Strombereich
- Photovoltaik; Ökostrom
Mobilität
Betriebliche Flotte
- Frei zugängliche Werksfahrräder; Dienstfahrten mit der Bahn; Poolfahrzeuge für die Mitarbeitenden; Umweltfahrtraining für Beschäftigte im Außendienst
Mobilität der Beschäftigten
- Bereitstellung von Duschen und Umkleiden für Radfahrerinnen und Radfahrer; Durchführung der Aktion „mit dem Fahrrad zur Arbeit“; Förderung des Job-Tickets; Leasingfahrrädern
Lieferantenverkehr
- Befragung der Lieferanten nach Umweltauswirkungen und Klimastrategien; Kodex für externe Unternehmen mit Auflagen zu Nachhaltigkeit in den Lieferketten; Aufbau von nachhaltigen Lieferketten durch die Einführung von Umweltstandards für Lieferanten
Beschaffung von Materialien und Dienstleistungen
Grüne Beschaffung von Verbrauchsmitteln
- Auditierung und Bewertung der Lieferanten; Einkauf von umweltverträglichen Reinigungsmitteln
Ernährung (Kantine, Patientenversorgung etc.)
- Zertifizierung des Kantinenbetreibers ISO 14001 (Umweltmanagement); Angebot von regionalem und gesundem Essen; Reduktion der Lebensmittelabfälle
Produktion
- Investieren von 1 % des Umsatzes in Nachhaltigkeit und Ökologie
Nutzerverhalten
- Schulungen und Weiterbildungen der Belegschaft zu Umwelt und Nachhaltigkeit; Durchführung von Baumpflanzaktionen; Aufstellung von „Green Teams“ in den Unternehmen
Nachhaltigkeitsmanagement
- CO2-Kompensation durch Bezahlung von Klimaschutzprojekten
Energiemanagementsysteme
- Einführung eines systematischen Energiemanagements nach ISO 50001 mit periodischen Audits und Re-Zertifizierungen
Nachhaltigkeitsmanager
- Definition von Nachhaltigkeitszielen; Entwicklung unternehmerischer Leitlinien zur Nachhaltigkeit; Orientierung an den Sustainable Development Goals (SDGs) der UN
Umwelt- und Nachhaltigkeitszertifizierungen
- Eco-Management and Audit Scheme - EMAS Zertifizierungen mit europaweiter Gültigkeit und Vergleichbarkeit; Durchführung der ISO 14001 Zertifizierung, Standard für Umweltmanagementsysteme
Abfallmanagement
- Umsetzung von Abfallvermeidung; Altpapiersammlung
Ressourceneffizienz
Papiereinsparung
- Prüfung, ob Papierhandtücher durch Trockner ersetzt werden können; Einstellen des doppelseitigen Drucks als Standard; Digitalisierung in der Verwaltung, Abschaffung papierbasierter Anträge
Der BPI hat in den letzten Jahren zu mehreren weitreichenden Themen im Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit Stellungnahmen verfasst: