Lieferengpässe
Zumindest gefühlt sind Arzneimittel immer mal wieder nicht in einer Apotheke zu bekommen. Man spricht dann schnell von einem Lieferengpass. Nicht jede Lieferschwierigkeit oder jeder Engpass ist aber automatisch ein Versorgungsproblem. Die Patientenversorgung ist nur in ganz seltenen Fällen erschwert. Meistens sind bestimmte Medikamente nur nicht in der entsprechenden Packungsgröße lieferbar oder können durch gleichwertige Präparate ersetzt werden.
Von einem Lieferengpass spricht man, wenn das pharmazeutische Unternehmen zwar durchaus lieferfähig ist, allerdings das Arzneimittel nicht im vollen Umfang vorrätig hat. Solche Lieferschwierigkeiten und auch Engpässe können in der pharmazeutischen Industrie immer wieder einmal auftreten. Es sind unerwünschte und unvorhersehbare Ereignisse. Die genauen Gründe kann nur der jeweilige Hersteller erklären.
Nicht jede Lieferschwierigkeit ist eben gleich ein Lieferengpass und einzelne Lieferengpässe sind nicht gleich ein allgemeiner Versorgungsengpass. Grundsätzlich ist das Thema Lieferengpass kein akutes beziehungsweise im akuten Fall ein lösbares Versorgungsproblem: Die meisten Lieferengpässe bestehen nur kurzfristig. Die Marktversorgung bleibt meist gesichert. Das Paul Ehrlich Institut (PEI) und das Bundesinstitut für Arzneimittel (BfArM), bei denen Meldungen zu Lieferengpässen eingehen, prüfen bei jeder Meldung, ob die Versorgung der Bevölkerung durch den Lieferausfall gefährdet ist und ob es alternative Arzneimittel gibt. Kritisch kann ein Lieferengpass allerdings bei Arzneimitteln werden, für die es nur noch wenige bis zum einem Hersteller auf dem Markt gibt.
Gründe für einen Lieferengpass
Engpässe sind unerwünschte und unvorhersehbare Ereignisse. Die genauen Gründe kann nur der jeweilige Hersteller erklären. Generell können sie verschiedenste Ursachen haben, wie etwa Unterbrechungen in den Produktionsabläufen oder der Abriss der Lieferung durch vorgelagerte Lieferanten. Ein Hauptgrund für mögliche Lieferschwierigkeiten ist die weltweite Konzentration der Wirkstoffproduktion. Dies ist dem globalen Kostendruck im Gesundheitswesen geschuldet. Zugleich steigt die weltweite Nachfrage nach Medikamenten. Ein weiterer Grund sind die hohen Sicherheitsstandards: Bei dem kleinsten Verdacht etwa auf Verunreinigung wird aus Sicherheitsgründen die Produktion und Auslieferung angehalten. Lieferengpässe sind der „Preis für das hohe Sicherheitsniveau“.
Die Problematik von Lieferengpässen liegt aber auch in der Natur der Ausschreibungspraktiken, wie sie von den Krankenkassen durchgeführt werden. Das Risiko für Lieferengpässe wäre geringer, wenn es grundsätzlich erst Ausschreibungen für Arzneimittel geben darf, wenn mindestens vier Anbietern im Markt sind und zudem die Krankenkassen an mindestens drei Anbieter Zuschläge erteilen müssen, von denen mindestens einer den Standort seiner Produktionsstätte in der EU nachweisen muss.
Bei gemeinsamen Ausschreibungen der Krankenkassen muss aber zudem darauf geachtet werden, dass diese sich an die kartellrechtlichen Regelungen für Marktbeherrschung halten. Meint: Die Marktanteilshöchstgrenzen für gemeinsame Ausschreibungen seitens der Kassen darf max. 15 % betragen.
Schaden für das pharmazeutische Unternehmen
Pharmazeutische Unternehmer haben naturgemäß ein starkes Interesse an einer maximalen Liefersicherheit; kein Hersteller hält bewusst Arzneimittel knapp oder gibt nur vor, lieferunfähig zu sein. Jede Lieferunfähigkeit ist ein Vertrauensverlust und ein Imageschaden beim Patienten, Lieferunfähigkeit schlägt mit Umsatz- und Absatzverlusten zu Buche, und es bestehen erhebliche Risiken von Strafzahlungen (Vertragsstrafen, Schadensersatz) an die Krankenkassen. Insofern können die Patienten gewiss sein, dass die Industrie alles tun wird, um Probleme bei der Produktion oder Lieferung zu verhindern.
Anbietervielfalt stärken
In jedem Fall ist das Problem der Lieferengpässe nur gemeinsam mit allen Beteiligten zu lösen. Sinnvoll ist, dass Bundesbehörden und Fachkreise die Versorgungslage beobachten und bewerten, um mehr Transparenz bei der Versorgung mit Arzneimitteln und Impfstoffen zu schaffen. Doch eine Meldepflicht für Unternehmen, wenn es zu Problemen bei Produktion bzw. Lieferung kommt, wird auch keinen einzigen Engpass verhindern. Bereits zum jetzigen Zeitpunkt wird auf freiwilliger Basis an die Bundesoberbehörden gemeldet. Bevor weitere Meldepflichten eingeführt werden, sollte man schauen, ob die bestehenden Datenbanken nicht ausreichend sind. Außerdem müsste genau definiert werden, was denn tatsächlich als Lieferengpass zu bewerten ist und wann eine Meldung wirklich hilft. Die Selbstverpflichtung zur frühzeitigen Meldung bei Lieferengpässen ist eine Möglichkeit zur Verbesserung der Informationslage. Eine Mitteilung allein durch den Hersteller bildet jedoch die Versorgungslage unvollständig ab, da der Hersteller keine Auskunft über die noch im Markt befindlichen Volumina geben kann. Ein grundsätzlicher Ansatz wäre es, einen Aktionsplan aufzulegen, um die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen so zu entwickeln, dass die Anbietervielfalt und die standortgebundene Pharmaindustrie in Europa gestärkt werden.
Eine aktuelle Liste von bestimmten Präparaten mit Lieferproblemen führen das BfArM und das PEI.
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04.07.2022 | Pressemeldung
GKV-Finanzstabilisierungsgesetz: Aus der Pandemie nichts gelernt! Immer neue Kürzungen bei den Arzneimitteln gefährden akut Versorgung und Pharmastandort
„Der Bundesgesundheitsminister setzt mit seinen Kürzungen im Arzneimittelbereich den Pharmastandort Deutschland und Europa nachhaltig aufs Spiel und gefährdet die Versorgung der Menschen in Deutschland”, sagt der BPI-Vorsitzende Dr. Hans-Georg Feldmeier anlässlich des Gesetzesentwurfes zur Finanzierung der gesetzlichen Krankenkassen (GKV). Geplant sind darin Maßnahmen wie die radikale Kürzung über alle patentgeschützten Arzneimittel hinweg, das weitere Einfrieren der Preise seit nunmehr über zwölf Jahren (Preismoratorium) und die Rückwirkung des Erstattungsbetrags im AMNOG-Prozess ab dem siebten Monat. Auch bei der Erstattung für Arzneimittel gegen seltene Krankheiten soll es starke Einschnitte geben. -
14.02.2022 | Position
Liefersicherheit von lebenswichtigen Blutplasmaprodukten
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14.02.2022 | Pressemeldung
G-BA setzt Versorgung mit Blutplasmaprodukten aufs Spiel
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) setzt mit der geplanten Einführung einer Festbetragsgruppe für bestimmte Blutplasmaprodukte die Versorgung von Patientinnen und Patienten mit lebenswichtigen Arzneimitteln aufs Spiel. „Die kontinuierliche Versorgung mit Blutplasmaprodukten ist bereits jetzt problematisch“, sagt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI). „Statt weiterer Hürden, brauchen wir weniger Regulierung bei dieser speziellen Produktgruppe. Andernfalls steuern wir in einen selbstverschuldeten Versorgungsengpass.“ -
18.10.2021
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Nicht nur Schutzkleidung, auch manche Arzneimittel waren zu Beginn der Coronakrise knapp. Doch schon vor Corona gab es, aus unterschiedlichen Gründen, Lieferengpässe – Tendenz steigend. Was sind die Ursachen? Wie kann man die Liefersicherheit erhöhen? Warum werden so viele Wirkstoffe in Asien produziert? Wie sehen die einzelnen Produktionsschritte genau aus? Und kann man die Herstellung – zumindest in Teilen – wieder nach Europa oder Deutschland zurückholen? All diese Fragen beantwortet unser Themendienst "Produktion von Arzneimitteln". -
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BPI zum Vor-Ort-Apotheken-Gesetz: Versorgungssicherheit gewährleisten
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie e.V. (BPI) fordert den Deutschen Bundestag auf, im Rahmen des Vor-Ort-Apothekengesetzes (VOAG) die Versorgungssicherheit mit Arzneimitteln zu gewährleisten: „Wir benötigen einheitliche Preisstrukturen einerseits und andererseits eine belastbare Versorgungsstruktur durch eine stabile Produktion und Entwicklung in Deutschland und Europa“ sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. -
24.06.2020 | Pressemeldung
EU-Ratspräsidentschaft: BPI verspricht sich Standortimpulse
Der Bundesverband der Pharmazeutischen Industrie (BPI) verspricht sich von der EU-Ratspräsidentschaft Deutschlands ab 1. Juli Impulse für die Stärkung des Pharmastandorts Europa. „Die Coronakrise zeigt uns, auf welch wackligen Füßen unsere Gesundheitsversorgung steht“, sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. „Wir brauchen deshalb Rahmenbedingungen, die es uns ermöglichen, unsere Ressourcen zu sichern. Wir müssen in Europa jederzeit imstande sein, unabhängig und flexibel auf sich verändernde Marktbedingungen reagieren zu können." -
12.03.2020 | Pressemeldung
BPI-Hintergrundpapier: Abhängigkeiten beseitigen, Liefersicherheit stärken
Im Zusammenhang mit der Corona-Krise werden Forderungen nach Stärkung der Arzneimittelproduktion am Standort Deutschland immer lauter. Der BPI setzt sich dafür schon lange ein und hat auf seiner Homepage das Hintergrundpapier „Arzneimittelproduktion im Lichte der Lieferengpässe“ veröffentlicht. Es soll verständlich machen, dass die Herstellung von Arzneimitteln ein komplexer Vorgang ist, der Teil der globalisierten Wirtschaft ist. Außerdem werden Wege aufgezeigt, wie Produktion und damit Liefersicherheit in Europa gestärkt werden können. -
26.02.2020
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Die Arzneimittelproduktion ist ein komplexer Vorgang mit vielen einzelnen Schritten. Die Wirkstoffherstellung ist dabei nur der erste Schritt einer langen und oft globalisierten Fertigungskette. Mit einer Produktion in Deutschland bzw. Europa lässt sich die Wahrscheinlichkeit einer zuverlässigen, verbesserten, kontinuierlichen Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln erhöhen. -
13.02.2020 | Pressemeldung
GKV-FKG: Kernproblem der Lieferengpässe angehen!
Das geplante Gesetz ändert nichts am Kernproblem der Lieferengpässe: „Solange der Gesetzgeber nicht die verminderte Anbietervielfalt durch Rabattverträge als eine Ursache für die Lieferengpass-Problematik angeht, wird sich die Versorgungssituation nicht wesentlich verbessern“, konstatiert BPI-Hauptgeschäftsführer Dr. Kai Joachimsen. -
10.02.2020 | Pressemeldung
GKV-Spitzenverband redet Lieferengpässe klein
„Die Aussage des GKV-Spitzenverbandes, Arzneimittellieferengpässe ließen sich nicht Rabattverträgen anlasten, geht an der Realität vorbei“, sagt Dr. Kai Joachimsen, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Pharmazeutischen Industrie (BPI). „Vielleicht liegt es daran, dass in dem als Quelle zitierten Gutachten aus Österreich nur sieben Wirkstoffe in unterschiedlichen Ländern untersucht wurden. Betrachtet man das Problem tiefgehender und mit dem Fokus auf Deutschland, dann wird das Gegenteil deutlich: Nach der Scharfschaltung der Arzneimittel-Rabattverträge im Jahr 2007 ist im rabatt-vertragsgeregelten Markt eine Marktkonzentration eingetreten, die die Arzneimittelversorgung massiv beeinträchtigt.